Das Selbstbildbnis des Christian Drosten

In einem Interview zeigt sich Christian Drosten offen gegenüber Forderungen, die Corona-Politik in einem Untersuchungsausschuss aufzuarbeiten.

Der Virologe äußert sich zur Debatte über Impfungen. Für den Fall einer nächsten Pandemie hat er einen Vorschlag.

Der Virologe Christian Drosten hat sich zu Forderungen geäußert, die Corona-Politik in einem Untersuchungsausschuss oder einer Enquetekommission aufzuarbeiten. „Ich bin mir nicht sicher, ob eine parlamentarische Kommission das in der ganzen Breite erfassen kann, ob da alle zu Wort kämen, die zu Wort kommen sollten. Aber ich hätte nichts gegen den Versuch“, sagte Drosten dem „Spiegel“.

Parallel sei die Aufarbeitung auch ein „Auftrag bei den Medien und auch der Wissenschaft“. Es gebe fachliche Forschung zu dem Thema, aber es brauche auch einen Erörterungsprozess, der „aus der breiteren Wissenschaftsgemeinschaft“ komme. Mit Blick auf die Diskussion über die Impfungen und deren Nebenwirkungen sagte Drosten, es gebe „statistische Missverständnisse der einfachsten Art“.

„Wenn man alles Quantitative von der Hand weist, muss man sagen: Ja, es gibt schwere Nebenwirkungen in manchen Fällen. Aber man muss ja die Infektionsfolgen dagegenhalten“, erklärte der Virologe. „Inzwischen ist fast jeder infiziert worden, die meisten glücklicherweise erst nach der Impfung. Stellen wir uns doch mal vor, das wäre ohne Impfung geschehen, was das in der Gesamtbevölkerung an Krankheitslast und Todesfällen bedeutet hätte!“
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In dem Interview bekräftigte Drosten seine Haltung zum Ursprung des Coronavirus. Die Evolution des Virus zeige, dass das Virus zu Beginn nicht einmal zum Menschen gekommen sei, „sondern zweimal, in kurzem zeitlichem Abstand“. Da nicht alle Übertragungen überleben, könne man ableiten, dass es wohl ursprünglich sogar acht Übertragungen gegeben haben müsse. Eine Ansteckung in einem Labor sei damit „nicht wahrscheinlich“.

Abschließend beweisen lasse sich der Ursprung auf einem Markt im chinesischen Wuhan zwar nicht, sagte Drosten. „Die Einschätzung in der Wissenschaftscommunity ist aber nicht, dass der Ursprung im Labor eine ebenso realistische Möglichkeit im Vergleich zum natürlichen Ursprung ist. Sie ist sehr viel weniger wahrscheinlich.“

Expertenrat soll künftig von der Wissenschaft besetzt werden

Der Virologe fordert von der Politik, bei einer nächsten Pandemie einen einzigen Expertenrat zu schaffen, der dann überwiegend mit von der Wissenschaft entsandten Experten besetzt sein solle. Das Kriterium für eine solche Besetzung solle ausschließlich „Kompetenz im jeweiligen Fachgebiet“ sein, nicht „Medienpräsenz oder andere Faktoren“. Es gehe „um eine sichtbare Kennzeichnung mandatierter Einschätzungen und Aussagen. So etwas geschieht auch sonst in der Wissenschaft, überall gibt es Fachgremien und Sprecherfunktionen, die auf echter Expertise beruhen. Die Benennung wäre eine typische Aufgabe von Akademien oder Wissenschaftsorganisationen“.

Jeder dürfe sich in der Öffentlichkeit mit seiner Meinung darstellen, ergänzte Drosten. „Aber die Arbeitsteilung im Fach ist nun einmal so, dass Spezialisten über ihr Spezialgebiet sprechen und die anderen sich eher zurückhalten. Das sollte zur guten Praxis von öffentlicher Wissenschaftskommunikation gehören.“

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Aktuell bereitet die Ausbreitung der Vogelgrippe in den USA dem Virologen Sorgen. Fachkollegen beobachteten dort, dass das Virus H5N1 in Milchviehbeständen übertragen werde. „Sie können gerade in manchen US-Bundesstaaten eine Tüte Milch aus dem Supermarktregal nehmen und testen. Dann haben Sie eine gut 20-prozentige Wahrscheinlichkeit, darin Spuren des Virus zu finden“, sagte Drosten. „Zum Glück wird dort Milch meist pasteurisiert, sodass das Virus wohl weitgehend inaktiv ist.“

Wenn H5N1 Säugetiere infiziere, könne das schwere Krankheiten auslösen. „Eine mögliche Anpassung beunruhigt wohl alle Wissenschaftler, die sich damit auskennen.“ In der Fachgemeinschaft werde diskutiert, ob man dazu nicht deutlicher Position beziehen solle. Da es um Nutztierbestände mit einem hohen ökonomischen Wert gehe, gebe es „eine gewisse Intransparenz, was aktuelle Daten aus den USA angeht – da würden wir uns eine bessere Einsicht wünschen“.

Text: Welt.de
Bild: Radio Qfm

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