Tucker Carlson interviewt Wladimir Putin.
Diese Schlagzeile ist seit Dienstag zu lesen – reflexartig begann der Shitstorm. Der linksliberale EU-Spitzenpolitiker Guy Verhofstadt fantasiert auf X sogar schon von einem EU-Einreiseverbot für Carlson. All das, bevor überhaupt klar ist, wie das Interview aussehen wird.
Carlson ist natürlich schon länger für seine eher Russland-freundliche Haltung bekannt und seine Haltung zur Ukraine-Unterstützung hat sich schon seit einiger Zeit von Kritik daran zu offener Dämonisierung der Kiewer Regierung gewandelt. Wird das Ganze also eine reine Propaganda-Show für Putin? So meinen es jetzt schon viele zu wissen. Manch einer behandelt die Reise nach Moskau selbst schon als Tabu.
Dabei waren Interviews von Diktatoren und sogar Terroristen eigentlich lange für Journalisten normal – solange sie nicht völlig unkritisch ablaufen. In den 90ern interviewten US-Sender sogar den Chef-Terroristen Osama Bin Laden, noch vor wenigen Jahren druckte die
New York Times einen Gastbeitrag mit dem Titel „Was wir, die Taliban, wollen“ von Taliban-Vize Sirajuddin Haqqani – in voller Länge, die Nachricht einer Terrormiliz.
Mit Haqqani verbreitete die
New York Times auch die Worte eines Vertreters des mit Al-Qaida verflochtenen Haqqani-Netzwerks innerhalb der Taliban, also tatsächlich vom Terrorist der Terroristen. So eine unkritische Wiedergabe von Propaganda ist etwas, was man tatsächlich kritisieren könnte. Bei Carlson passiert das jetzt schon im Voraus, ohne dass jemand das Interview mit Putin überhaupt gesehen hat.
Klar ist natürlich: Mit seinem Ankündigungsvideo zum Interview direkt aus Moskau eröffnete er Tür und Tor für die Kritik. Putin präsentierte er da als einen Staatsmann, der international geradezu zum Schweigen gebracht werden sollte. Denn seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine gab es kein westliches Interview mit dem russischen Staatschef, wie Carlson feststellte. An der Stelle lässt er weg, dass es durchaus von vielen anderen US-Journalisten genau solche Versuche und Anfragen gab, die vom Kreml abgeschmettert wurden. Das bestätigte inzwischen sogar ein Kreml-Sprecher, der meinte, diese Medien seien zu einseitig gewesen.
Putin erhofft sich von Carlson also offensichtlich ein angenehmeres Interview, vielleicht sogar eine Propaganda-Show ganz nach seinem Willen. Die Frage ist jetzt: Spielt Carlson da in ganz erwartbarer Manier mit, oder – wenn auch ausgefallener – nutzt er die Atmosphäre vielleicht doch für kritisch-unangenehme Fragen?
Denn trotz seines Rufes gab es bei Carlson in der Vergangenheit durchaus Momente gibt, in denen er vermeintlich Gleichgesinnte in die Zange nimmt. Unvergessen etwa, wie er auf
Fox News im Zuge der Wahlbetrugsvorwürfe der Trump-Kampagne 2020, Trump-Anwältin Sydney Powell zur Primetime wegen ihrer absurden Behauptungen über Wahleinmischung durch den toten venezolanischen Diktator Hugo Chávez auseinandernahm. Carlson, der damals eindeutig im Lager Trump und durchaus offen für Wahlbetrugsvorwürfe war, forderte Powell auf, Beweise zu liefern – was sie nicht konnte – und sorgte mit seiner Abrechnung auf
Fox dann dafür, dass die Trump-Kampagne sie kurz darauf absäbelte.
Kritischen Journalismus, durchaus auch im Kontakt mit Personen aus dem vermeintlich eigenen „Lager“, beherrscht Carlson also grundsätzlich. Die Frage wird hier am Ende also sein, ob sich Tucker dazu durchringt und hier traut – oder eben doch nur eine erwartbare Kreml-freundliche Unterhaltung abliefert. All das wird man jedenfalls erst mit dem Interview sehen.
Text: Apollo-News
Bild: Radio Qfm.