Frankreich vor dem Knall: Putschisten oder „Generäle in Hausschuhen“?

Ein Kommentar von Hermann Ploppa auf Kenfm.de

In Deutschland wird nur am Rande registriert, dass im Nachbarland Frankreich hochrangige Militärs dem Präsidenten Macron zumindest indirekt mit einem Putsch drohen. 

In bislang zwei veröffentlichten Briefen an die französische Regierung und das französische Nationalparlament fordern die Militärs, denen sich mittlerweile eine Viertelmillion Bürger mit ihrer Unterschrift angeschlossen haben, endlich energisch gegen islamistische „Horden in den Vorstädten“ vorzugehen (1). 

Subtext: wenn ihr das nicht macht, machen wir das selber.

Nachdem der erste Brief gleich verniedlicht wurde als nostalgischer Impuls von „Generälen in Hausschuhen“, quasi als Marotte von ausgedienten Militärs, die die moderne Zeit nicht mehr verstehen, legten im nächsten Schritt noch einmal aktive Militärs nach, die klarstellen: wir spielen hier mit echter Währung. Jetzt schließen sich Soldaten der „Feuergeneration“ an: harte Kerle, die schon durch das Stahlgewitter von Mali, Afghanistan oder der Zentralafrikanischen Republik gegangen sind.

Die ihre Kameraden im Wüstensand niedersinken sahen und unerschrocken weiter gekämpft haben gegen den bösen Feind, den Islamismus. Und nicht zuletzt haben sie dem Feind an der Heimatfront, in Frankreich nämlich, bei der Operation Sentinel gefasst in die Augen geschaut. Und die große Katastrophe wird nicht ausgehen von einem militärischen „Pronunciamento“, also einem Putsch im lateinamerikanischen Stil, sondern von einem zivilen Aufstand. So sagen die Militärs.

Harte Worte. Wie wäre das wohl: Bundeswehr-Offiziere schreiben Frau Merkel, sie soll mal gefälligst energischer gegen Islamisten vorgehen. Anderenfalls gäbe es einen handfesten Putsch. Und dieser Brief wäre veröffentlicht worden in einem neurechten, identitären Magazin. Gottlob sind wir noch nicht so weit. Wenn aber die Politikerkaste in Berlin so weiter macht wie bisher, könnte es hier auch eines Tages soweit sein, dass sich Heißsporne in den deutschen Streitkräften in die Politik einmischen wollen. Längst ist eine neue Soldatengeneration in die höheren Offiziersränge der Bundeswehr aufgerückt, die mit dem berühmten „Bürger in Uniform“ des Grafen von Baudissin nicht mehr viel im Sinn hat.

Man muss sich aber ernsthaft und sachlich mit den beiden Alarmbriefen der französischen Offiziere auseinandersetzen. Leider sind die in den Briefen geschilderten Zustände keine freie Erfindung. Das Kind ist in den Brunnen gefallen. Die Lage in den französischen Vorstädten ist explosiv. Man kann nicht einfach die Kinder des französischen Kolonialismus am Rand der großen Metropolen parken und dann nichts weiter mehr unternehmen außer immer mal wieder draufhauen, wenn Autos brennen. Menschen in einer gigantischen, eiskalten Legebatterie zu entsorgen – das kann einfach nicht mehr gutgehen. Das ist es, worauf die Militärs in ihrer ganz eigenen verschwurbelten Militaristensprache aufmerksam machen.

Aber anstatt auf die zugrunde liegenden Probleme einzugehen und sich zu fragen wie es kommen kann, dass laut einer Umfrage angeblich 58 Prozent aller Franzosen den Vorstoß der Militärs gut finden, sehen wir seitens des herrschenden pseudoliberalen Mainstreamblocks nur Wirklichkeitsflucht par excellence (2). Bei den Militärs sei nun mal ein übergroßer Prozentsatz an Sympathisanten der rechten Rassemblement National der „ausgeflippten“ Politikerin Marine Le Pen aufzufinden.

Und die machen halt jetzt schon Wahlkampf für Le Pen. Ja klar, Marine le Pen kann sich freuen über diesen Rückenwind aus dem Militär. Ja, und natürlich ist das alles wieder Rechtspopulismus und finsterster Trumpismus. Klappe zu. Weitere Bemühungen, das bedrohliche Gehabe der Militärs auch nur ansatzweise zu verstehen, ist dank dieser wohlfeilen Eintütung, vornehmer auch Framing genannt, nicht mehr erforderlich.
Versuchen wir mal eine Einordnung des Problems. Es wird aus den öffentlichen Sendschreiben der französischen Militärs schnell deutlich, dass sie ganz genau so wenig wie die zivilistischen Regierungspolitiker in Paris in der Lage sind, die Situation angemessen zu begreifen.

Nicht ohne Grund ist das erste Sendschreiben am 21. April veröffentlicht worden. Genau sechzig Jahre zuvor hatten hochrangige Militärs gegen die Regierung des Generals de Gaulle einen Putschversuch unternommen. De Gaulle hatte 1958 die Präsidentschaft in der eigens für ihn zurechtgeschusterten Fünften Republik übernommen. Denn die Politiker der Vierten Republik wurden mit der Algerienfrage nicht fertig.

Eigentlich sollte Algerien nämlich nicht in die Unabhängigkeit entlassen werden, sondern als Département dem kolonialen „Mutterland“ Frankreich angegliedert werden. Doch die Unabhängigkeitsbewegung in Algerien leistete härtesten Widerstand. Es gelang de Gaulle, Algerien in die Unabhängigkeit zu führen. Doch der Preis für de Gaulle war hoch. Die Terrororganisation OAS überzog de Gaulle mit unzähligen Attentatsversuchen, die der legendäre Weltkriegsgeneral jedoch allesamt heil überstand. Bis heute ist nicht klar, ob bei diesen Attentaten nicht auch der amerikanische Geheimdienst CIA seine Finger im Spiel hatte.

Denn de Gaulle tat alles, um Frankreich zu einem souveränen Nationalstaat zu machen: er zog die französischen Streitkräfte aus der NATO zurück und versuchte mit dem deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer zusammen ein europäisches Gegengewicht gegen die amerikanische Supermacht aufzubauen (3).

So findet sich auch in den aktuellen beiden Brandbriefen der Militärs an Macron keine Bezugnahme auf den großen Einiger Frankreichs, Charles de Gaulle. Der vermutliche Verfasser des Brandbriefes heißt Jean-Pierre Fabre-Bernadac. Der Hauptmann hatte den Brandbrief bereits am 13. März in der Militärzeitschrift Place d’Armes veröffentlicht (4). Fabre-Bernadac stammt aus einer Familie von Algerienfranzosen, die nach dem Algerienkrieg nach Frankreich emigriert sind.

Mit kolonialer Zurückhaltung und Kooperation mit den blockfreien Nationen der Dritten Welt, wie sie General de Gaulle anstrebte, hat Fabre-Bernadac nichts am Hut. Vielmehr sind die jetzigen französischen Protest-Militärs das Produkt gemeinsamer Auslandseinsätze im Geist und im Gleichschritt mit der NATO. Das NATO-Narrativ, die Auslandseinsätze dienten ausschließlich der Vernichtung eines pervertierten Islamismus, wird von den zornigen Militärs im aktuellen Brandbrief zu hundert Prozent wiedergekäut.

Nicht eine Sekunde fragt sich zumindest diese Fraktion der französischen Militärs, ob es bei den eigenen Militäraktionen nicht vielmehr auch um die brutale Durchsetzung massiver Geschäftsinteressen französischer oder im weiteren Sinn westlicher Geschäftsinteressen geht. Und ob nicht die eigenen Gewalttaten in den ehemaligen Kolonialländern erst jene intolerante Spielart des Islamismus zum Zuge kommen lässt, gegen die man jetzt zu kämpfen vorgibt. Keine kritische Frage, ob man nicht einer Hydra den Kopf abschlägt, der dann sofort zwei neue Köpfe nachwachsen?

Und dann die Operation Sentinel. 

Als in Frankreich im Jahre 2015 und davor ganz scheußliche terroristische Untaten das Land erschütterten, bestand die Antwort der dortigen Regierung lediglich darin, jetzt das ganze Land dauerhaft mit martialisch auftretenden Bürgerkriegsarmeen von Militär und Polizei zu überziehen. Die einstige Kulturnation Frankreich mutierte zu einem Militärstaat, der zumindest auf der Erscheinungsebene schon eine fatale Ähnlichkeit mit lateinamerikanischen Militärdiktaturen aufzuweisen hat. Ich habe es selber erlebt. Im Sommer 2019 wollten wir mit Freunden den wunderschönen Garten des Malers Claude Monet im Dörfchen Giverny in der Normandie besuchen. Unsere Warteschlange für den Kauf der Eintrittskarten wurde von Soldaten in Kampfmontur mit entsicherter Maschinenpistole begleitet. Welch‘ ein Kontrast zu dem impressionistischen Friedensgarten von Monet! Ungenierter kann die Kulturnation Frankreich nicht mehr mit Militärstiefeln getreten werden.

Diese militaristische Rezeptur der pseudosozialistischen Hollande-Regierung wurde vom Nachfolger Macron weitergeführt und radikalisiert. Militär, Militär und noch mehr Polizei, das ist das große Universalrezept gegen alle Probleme. Von proaktiver staatlicher Sozialpolitik ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Und mit der Corona-Kampagne radikalisieren sich soziale Ungleichheiten noch weiter.

Im Gegensatz zu Macron haben die Militärs aber wenigstens noch gewisse Spurenelemente einer realistischen Wahrnehmung sozialer Fehlentwicklungen. Sie sehen aber alles nur ganz betriebsblind aus ihrer Perspektive als Sicherheitsfachleute. Und das obendrein noch ideologisch verbrämt, indem sie sich als Beschützer des christlichen Abendlandes wähnen. Die Zivilpolitiker haben militärische Lösungen zum Königsweg erklärt. Protestierende Militärs und ignorante Zivilelite haben gemeinsam, dass sie die islamistische Hydra für ihre eigene Aufbauschung gut gebrauchen können. Wenn wie im letzten Herbst die angefachten Spannungen dazu führen, dass zornige junge Männer einem Geschichtslehrer in den Vorstädten (Banlieues) von Paris den Kopf abschneiden, führt das auch nur zur Schlussfolgerung: Repression, Repression, dicht gefolgt von Repression (5).

Auch nicht ansatzweise auch nur ein einziger Gedanke, man könnte vielleicht die eskalierenden Spannungen durch soziale Gerechtigkeit wieder entschärfen. Der Gewaltspirale durch zufriedene Mitbürger den Wind aus den Segeln nehmen – das geht nun gar nicht.

Die Dekadenz der westlichen Eliten ist nun schon viel zu weit fortgeschritten. Dem Volk verordnet man Kontaktverbote und untersagt ihnen, öffentliche Restaurants zu besuchen. Und dann filmt das französische Fernsehen, wie sich die Reichen und die Schönen heimlich bei festlichen Gelagen vergnügen (6). Schlecht drapierte Dementis durch selbernannte „Faktenchecker“ versuchen den Ansehensverlust abzumildern.

Doch wir kennen das ja von Deutschland auch. Der Bundesgesundheitsminister beim maskenfreien Sponsorendinner ohne social distancing; eine Villa im feinen Berliner Westen für 4.4 Millionen Euro kaufen, während Familien in Marzahn nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen (7). Die Ignoranz in sozialen Fragen ist nicht zu übersehen. Während in früheren Zeiten Bundeskanzler Helmut Schmidt im Hamburger Arbeiterviertel Bergedorf mit seiner Loki eine Doppelhaushälfte bewohnte, ist heute ein Fußballer in den Mittzwanzigern unter glücklichen Umständen bereits mehrfacher Millionär. Das kann auf die Dauer nicht gutgehen.

Gottlob haben wir in Deutschland noch lange keine französischen Zustände. Zu unserem Glück haben wir keine nennenswerte koloniale Vergangenheit. Und damit keine schwere soziale Hypothek. Erst seit 2015 haben wir einen größeren Zuzug aus Regionen dieser Welt, in denen westliche Militäreinsätze den Menschen das Leben zur Hölle gemacht haben.

Diese Probleme könnte man vermeiden. Man bräuchte lediglich den Export von deutschen Waffen zu verbieten. Den massenhaften Ankauf von Agrarland, das so genannte Land Grabbing, verbieten. Den großen Agrokonzernen das Handwerk legen. Perverse Handelsabkommen, die die Bauern in der Dritten Welt ruinieren, aufkündigen. Wir müssen den von uns ruinierten Ländern wieder auf die Beine helfen. Das kostet viel Geld. Das Geld ist aber gut angelegt. Wir brauchen dann keine bis zu den Zähnen bewaffneten Bürgerkriegssoldaten in unserem Land mehr. Wir sind in Deutschland mit einem pseudoliberalen, pseudo-ökologischen Machtkartell geschlagen, das sich nicht entblödet, einen engen Schulterschluss mit der NATO zu fordern.

Olivgrüne Kriegsfanatiker vom Schlage einer Annalena Baerbock produzieren implizit schon die nächste Migrationswelle. Und in diesem Punkt sind sich die französischen Militärs und die rot-rot-grünen Biokost-Strategen absolut einig: gegen soziale Verwerfungen hilft nur militärische Gewalt.

Es ist ja auch so bequem, soziale Probleme als ethnische und religiös-kulturelle Probleme absichtsvoll misszuverstehen. Oder sich gar im selbstreferentiellen Kokon politischer Korrektheit der Cancel Culture einzuspinnen und sich auf diese Weise gegen die Erkenntnis abzuschotten, dass der eigene Wohlstand auf dem Rücken einer immer größeren Masse von Entrechteten und Enteigneten auf dieser Welt gründet. Sich durch Selbstgerechtigkeit von der eigenen Verantwortung an der zunehmenden sozialen Ungleichheit gedanklich abzukoppeln (8).

Die Entrechteten und Enteigneten finden augenblicklich keine Bundesgenossen unter den Intellektuellen. Sie sind auf sich gestellt und den simplen Erklärungsmustern der rebellierenden Militärs ausgesetzt. Jahrmarktsgaukler erklären zudem die Welt und verdienen sich mit ihren einfältigen Märchenerzählungen auf youtube dumm und dämlich.

Die Konsequenz kann nur darin bestehen, schleunigst außeruniversitäre Bildungsprogramme für die neuen Marginalisierten auf den Weg zu bringen. Wissen ist Macht. Das wusste das aufstrebende Bürgertum, als es noch unter der Knute der parasitären Feudalherren sein Auskommen finden musste. Und das ist jetzt auch wieder Thema. Die Gewerkschaften versagen nicht nur auf der ganzen Linie, den Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen ein angemessenes Bildungsgut in die Hände zu geben, um sich angemessen wehren zu können. Die Gewerkschaften verstehen sich heute mehr denn ja als die Ersten Offiziere der Konzernchefs. Sie passen auf, dass ihre Klientel nicht rebellisch wird. Alle Parteien im Bundestagsspektrum versagen kläglich, wenn es um eine echte Sozialpolitik geht.

Diese absolute Wehrlosigkeit der unteren Schichten gab es auch schon im frühen Preußen auf deutschem Boden. Doch es gelang der Arbeiterbewegung in Zusammenarbeit mit dem Bildungsbürgertum und der christlichen Soziallehre, im deutschen Staatswesen wirkungsvolle Infrastrukturen zu schaffen, von denen wir heute noch in Ansätzen profitieren. Es funktioniert also, diese Infrastrukturen der Selbsthilfe in Solidarität zu schaffen (9).

Wir sollten den kommenden Bundestagswahlkampf offensiv nutzen, uns für eine glaubwürdige Politik der sozialen Gerechtigkeit und des friedlichen Miteinanders laut und vernehmlich einzusetzen. Wir müssen es schaffen, diesem braun-rot-schwarz-blau-grünen Einheitsbrei der Militarisierung und Massenverarmung etwas wirklich Neues entgegenzusetzen.

Das ist nicht nur unsere Chance. Es ist unsere Pflicht, das zu tun.

Für uns. Für unsere Kinder. Für unsere Enkel.

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