„How dare you!“
schrie Greta Thunberg 2019 auf dem UN-Gipfel in die Welt.
Ihre Kritik richtete sich an die Entscheider, die Erwachsenen – in der Politik und zuhause, an die Vorgängergenerationen und die aktuell Regierenden.
All ihnen rotze sie entgegen: „Ihr habt mit euren leeren Worten meine Träume zerstört und meine Kindheit gestohlen“. „Wir sind am Beginn eines Massensterbens und alles, worüber ihr redet, ist Geld.“ Und die ganze Welt klatschte. In Berlin kamen damals 100.000 Personen, darunter viele Schüler, auf eine Großdemonstration von Fridays For Future.
Vier Jahre später, im Herbst 2023, versammelten sich an derselben Stelle nur noch 12.500 Klimabewegte. Viele von ihnen „Berufsdemonstranten“, Rentner und Pädagogen-Charaktere. Der Klimabewegung ist die Puste ausgegangen. Luisa Neubauer macht jetzt nicht mehr Werbung für Klimademos, sondern für Anti-AfD-Märsche und die Europawahl. Und jetzt ist auch noch eine Studie zur Gedankenwelt der jungen Leute veröffentlicht worden, die in ganz Deutschland Schnappatmung auslöst.
„Gestresst, pessimistisch – und empfänglich für Rechtspopulismus“, titelt der Spiegel am Dienstag in einem Ton, der sich so anhört, als würde in alten Filmen ein enttäuschter Vater vor Gästen seinen missratenen Sohn schelten. Andere Medien schreiben über die jungen Leute, als wären diese bereits reif für die Klapse. „Deutschlands Jugend 2024: Psychische Probleme, Ohnmacht, Rechtsruck“, titelt RND. Der Stern urteilt: „Junge Generation ist gestresst und neigt zur AfD“.
Immer weniger Angst vor der Klimakatastrophe
Doch warum das Gehechel? Die Trendstudie „Jugend in Deutschland“, die von einem Team rund um den Jugendforscher Simon Schnetzer durchgeführt wurde, zeigt, dass sich junge Leute immer weniger um den Klimawandel sorgen. Mit 49 Prozent der befragten 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren liegt die Angst vor einer möglichen Klimakatastrophe nur noch auf Platz fünf der größten Ängste unter jungen Leuten. Noch vor zwei Jahren hatte die Klimaangst mit damals 55 Prozent hinter der Angst vor Krieg zu den größten Sorgen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gezählt.
Heute aber haben die jungen Leute anderes im Sinn: Die meisten machen sich Sorgen wegen der Inflation (65 Prozent), danach folgt die Angst vor Krieg in Europa und in Nahost (60 Prozent). Auf Platz drei steht die – neu eingeführte – Kategorie Wohnungsknappheit (54 Prozent), auf Platz vier die Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft (49 Prozent).
Auch die Sorge vor der Zunahme von Flüchtlingsströmen hat im Vergleich zu 2022 stark zugenommen. Damals gaben nur 22 Prozent diesen Faktor als Angstauslöser an, bei der aktuellen Umfrage waren es 41 Prozent. Zusätzlich sorgen sich die jungen Leute mehr als früher um eine drohende Altersarmut (48 Prozent), die Wirtschaftskrise (48 Prozent) und einen Zusammenbruch des Rentensystems (44 Prozent).
Über den Sinneswandel der Jugend könnte man Schmunzeln, wären die Hintergründe nicht so ernst. Denn eigentlich ist nichts daran verwunderlich: Deutschlands Wirtschaft geht es dramatisch schlecht, überall im Land sind die Preissteigerungen zu merken – und werden immer schmerzlicher. Während viele junge Leute bisher fröhlich noch bis ins zwanzigste Semester von ihren Eltern durchgefüttert wurden, kann man nun davon ausgehen, dass die hohen Lebenskosten immer mehr Eltern dazu zwingen, finanzielle Selbstständigkeit von ihren Kindern einzufordern – ein Schock für große Teile meiner ewig gepamperten und finanziell unbesorgten Generation.
Wer keine Geldsorgen hat, kann werktags hüpfen gehen
Auch der Start ins selbstbestimmte Leben wird immer schwieriger – eine Wohnung in einer Großstadt wie Berlin zu finden, ist inzwischen eine Odyssee geworden. Hat man eine, muss das wenige Geld, das übrig bleibt, für Lebensmittel reichen – und wie soll man das machen, wenn ein Döner inzwischen über sieben Euro kostet?
Das Geschmunzel über die Realitätsferne der Generation Z, ihre Verwöhntheit, ihre Leistungsverweigerung war unter anderem deswegen möglich, weil die wirtschaftliche Situation der letzten Jahrzehnte vielen Eltern erlaubte, ihren Kindern die Realität – vielleicht ein bisschen zu sehr – vom Hals zu halten. Ihnen also durch ihre Unterstützung zu ermöglichen, neben dem Studium nicht arbeiten zu müssen und stattdessen durch die Welt reisen sowie teure Klamotten und technische Geräte kaufen zu können.
Anstatt Arbeit als etwas zu begreifen, was eben notwendig ist, um sich das Essen auf dem Tisch, das Dach überm Kopf und vielleicht noch einen Urlaub finanzieren zu können, erprobten sich die jungen Leute als Berufsdemonstranten – brachen teilweise die Schule ab, um Aktivist zu werden, verschwendeten ihre Zeit in Studiengängen ohne Berufsperspektive. Vielleicht feierten und schliefen sie auch einfach nur viel, gingen ab und zu hüpfen bei Fridays For Future und forderten dann – wie Greta – von ihrer Elterngeneration und den Regierenden, nicht immer nur über Geld und Wirtschaft zu reden. Dabei begriffen sie nicht, dass ihr ganzer Lebensstil auf der finanziellen Unterstützung ihrer Eltern fußte – oder alternativ durch Bafög-Zahlungen auf Kosten der Steuerzahler ermöglicht wurde.
Nun haben die zahlreichen Krisen, in denen sich Deutschland aktuell befindet, viele junge Leute offenbar auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. Ich weiß nicht, ob ich davon ausgehen möchte, dass die Generation Z zunehmend auch die Hintergründe des wirtschaftlichen Verfalls Deutschlands reflektiert. Dass sie darüber nachdenkt, warum sich andere große Volkswirtschaften bereits vom Tief der Coronakrise erholt haben, während sich Deutschland immer noch mit viel Mühe aus einer Rezession kämpft. Und was die grüne Politik von Angela Merkel, Robert Habeck und Svenja Schulze damit zu tun haben könnte.
Zumindest scheinen immer weniger junge Leute den Grünen die Führung dieses Landes anvertrauen zu wollen. Auch das bezeugt die neue Jugendstudie. Nur noch 18 Prozent der Befragten würden aktuell den Grünen ihre Stimme geben. 2022 waren es noch 27 Prozent. Damals lagen die Grünen in der Sympathie der Generation Z weit vor der AfD, der damals gerade mal 9 Prozent ihre Stimme geben wollten. Heute liegt die AfD mit 22 Prozent an der Spitze der Wählergunst der unter 30-Jährigen.
Münzenzählen lässt Wolkenschlösser platzen
„Wenn ihr entscheidet, uns im Stich zu lassen, werden wir euch niemals verzeihen“, zischte Greta 2019 bitterböse den Erwachsenen zu. Nun muss man sagen: Alles in allem haben die Entscheider gemacht, was die Klimajugend von ihnen forderte. Sie haben nicht mehr über Geld gesprochen und stattdessen Milliardensummen in vermeintlichen Klimaschutz investiert. Sie haben dafür all jene, die berufsmäßig gezwungen sind, aufs Geld zu achten – Unternehmer, Arbeitgeber – mit immer drastischeren Klimavorgaben belegt. Sie haben dem Klima zuliebe eine stabile Energieversorgung sabotiert – und somit viele Industrieunternehmen, die auf günstigen und sicheren Strom angewiesen sind, dazu gezwungen, in andere Länder umzusiedeln.
Sie haben es nicht für die Jugend getan – der grüne Zeitgeist hat sie selbst ergriffen. Doch selbst wenn es so gewesen wäre, muss man sagen: Genau mit dem Vorantreiben und Unterstützen dieser Politik haben die Entscheider in Politik und am Abendessenstisch die Jugend im Stich gelassen. Statt sich mit Wolkenschlössern von einer untergehenden Welt zu befassen, müssen junge Leute nun gucken, dass sie am Ende des Monats noch genug Geld für Essen übrig haben. Sie machen sich gar keine Vorstellungen mehr davon, einmal ein Eigenheim zu besitzen, können sich kein Auto leisten, trauen sich nicht, selbstständig zu arbeiten.
Geerdet mögen viele jungen Leute durch diese Erfahrung zwar sein. Aber mit Verlaub: Etwas mehr Erziehung hätte es auch getan. Wenn die Jugendstudie eines zeigt, dann vielleicht, dass die jungen Leute inzwischen zunehmend begreifen: Es geht eben doch ums Geld.