Der russische Außenminister Lawrow hat am Dienstag im UNO-Sicherheitsrat eine wichtige Rede gehalten, die weltweit – außer in westlichen Medien – sehr viel Aufmerksamkeit bekommen hat.
Darin hat er konkret aufgezeigt, wie eine neue, gerechte und multilaterale Weltordnung aussehen könnte, die nicht mehr vom Westen dominiert wird.
Russland hat derzeit den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne, was der russische Außenminister Lawrow für eine Grundsatzrede im Rat genutzt hat, die weltweit sehr aufmerksam verfolgt, von westlichen Medien aber weitgehend ignoriert wurde.
Wer zum jetzigen Zeitpunkt, einige Stunden nach der Rede, beim Spiegel unter dem Suchbegriff „Lawrow“ sucht, findet keinen Artikel über die heutige Sitzung des UN-Sicherheitsrates und Lawrows Rede.
Dass westliche Medien die Rede ignorieren, ist nicht überraschend, denn de facto hat Lawrow nicht nur den Westen kritisiert, sondern der Welt auch erklärt, wie eine gerechte, auf der Gleichberechtigung der Staaten aufgebaute Weltordnung aussehen könnte, die die vom Westen kontrollierte Weltordnung, in der die USA allen Staaten der Welt vorschreiben wollten, wie sie zu leben haben, ersetzen könnte. Da der Westen im Globalen Süden ohnehin an Boden verliert, weil die Mehrheit der Staaten der Welt eine ganz andere Sicht auf die Kriege in der Ukraine und in Gaza hat, als der Westen, ist Lawrows Rede vor allem außerhalb des Westens auf großes Interesse gestoßen.
Aber die westlichen Medien verheimlichen ihrem Publikum die derzeit stattfindenden geopolitischen Prozesse, weil die westliche Öffentlichkeit nicht erfahren soll, wie isoliert der Westen international bereits ist. Die westlichen Medien halten stattdessen die Legende aufrecht, der Westen wäre immer noch der Nabel der Welt und die ganze Welt wolle so sein, wie der Westen. Dabei sind diese Zeiten längst vorbei.
Da Lawrows Rede für politisch Interessierte ausgesprochen interessant war, habe ich sie komplett übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Ich möchte die im Plenarsaal des Sicherheitsrates anwesenden hohen Würdenträger herzlich willkommen heißen.
Ihre Teilnahme an der heutigen Sitzung zeigt, wie wichtig das Thema ist, über das wir sprechen. Ägypten, Äthiopien, Chile, Indien, Indonesien, Irak, die Islamische Republik Iran, Kambodscha, Kasachstan, Kuba, Kuwait, Malediven, Marokko, Nepal, Nicaragua, Pakistan, Philippinen, Saudi-Arabien, Serbien, Südafrika, die Arabische Republik Syrien, Thailand, Timor-Leste, die Türkei, Uganda, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela.
Gemäß Regel 39 der vorläufigen rechtlichen Verfahren des Rates lade ich Seine Exzellenz Herrn Lambrinidis, den Leiter der Delegation der EU bei den Vereinten Nationen, zur Teilnahme an dieser Sitzung ein.
Der Sicherheitsrat wird nun mit der Behandlung von Tagesordnungspunkt 2 beginnen. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Ratsmitglieder auf das Dokument S/2024/537 lenken, ein Schreiben des Ständigen Vertreters der Russischen Föderation bei den Vereinten Nationen vom 9. Juli 2024, das an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, gerichtet ist und eine Konzeptnotiz zu dem zur Debatte stehenden Punkt enthält.
Sehr geehrte Damen und Herren, Eure Exzellenz,
heute stehen die Grundlagen der internationalen Rechtsordnung – die strategische Stabilität und das UN-zentrische System der Weltpolitik – auf dem Prüfstand. Es wird unmöglich sein, die sich häufenden Konflikte zu lösen, wenn wir nicht ihre Ursachen verstehen und das Vertrauen in unsere Fähigkeit wiederherstellen, unsere Kräfte für das Gemeinwohl und die Gerechtigkeit für alle zu bündeln.
Sagen wir es offen:
Nicht alle in diesem Saal vertretenen Staaten erkennen den wichtigsten Grundsatz der UN-Charta an: die souveräne Gleichheit aller Staaten. Die USA haben durch ihre Präsidenten lange Zeit ihren eigenen Exzeptionalismus verkündet.
Das gilt auch für die Haltung Washingtons gegenüber seinen Verbündeten, von denen es bedingungslosen Gehorsam verlangt, selbst wenn dies auf Kosten ihrer nationalen Interessen geht.
Herrsche, Amerika! Das ist die Essenz der berüchtigten „regelbasierten Ordnung“, einer direkten Bedrohung für den Multilateralismus und den internationalen Frieden.
Die wichtigsten Bestandteile des Völkerrechts – die UN-Charta und die Beschlüsse unseres Rates – werden vom „kollektiven Westen“ auf perverse und selektive Weise interpretiert, je nachdem, welche Anweisungen aus dem Weißen Haus kommen. Und viele Resolutionen des Sicherheitsrates werden ganz und gar ignoriert.
Dazu gehören die Resolution 2202, mit der das Minsker Abkommen über die Ukraine gebilligt wurden, und die Resolution 1031, mit der das Dayton-Abkommen über den Frieden in Bosnien und Herzegowina auf der Grundlage des Prinzips der Gleichberechtigung der drei konstituierenden Völker und zweier Entitäten gebilligt wurde.
Wir können endlos über die Sabotage der Resolutionen zum Nahen Osten reden – es genügt schon die Aussage von Anthony Blinken in einem Interview mit CNN im Februar 2021 auf die Frage, was er von der Entscheidung der vorherigen US-Regierung halte, die syrischen Golanhöhen als zu Israel gehörig anzuerkennen. Falls sich jemand nicht mehr daran erinnert, frische ich die Erinnerung auf. Als Antwort auf diese Frage sagte der US-Außenminister: „Abgesehen von der Frage der Rechtmäßigkeit ist der Golan aus praktischer Sicht sehr wichtig für die Sicherheit Israels.“
Und das, obwohl die Resolution 497 des UN-Sicherheitsrates von 1981, die Sie und ich sehr gut kennen und die niemand aufgehoben hat, eine Annexion der Golanhöhen durch Israel als illegal qualifiziert. Aber nach eben diesen „Regeln“ sollen wir, um Anthony Blinken zu zitieren, „die Frage der Rechtmäßigkeit“ beiseite lassen.
Und natürlich erinnert sich jeder an die Erklärung des Ständigen Vertreters der USA bei der UNO, dass die am 25. März dieses Jahres angenommene Resolution 2728, in der ein sofortiger Waffenstillstand im Gazastreifen gefordert wird, „rechtlich nicht bindend ist“. Das heißt, die amerikanischen „Regeln“ sind wichtiger als Artikel 25 der UN-Charta.
Bereits im letzten Jahrhundert hat George Orwell in seiner Erzählung „Animal Farm“ das Wesen der „regelbasierten Ordnung“ vorausgesehen: „Alle Tiere sind gleich, aber einige sind gleicher als andere“. Wenn man den Willen des Hegemons befolgt, ist alles erlaubt. Wer es aber wagt, seine nationalen Interessen zu verteidigen, wird zum Paria erklärt und sanktioniert.
Washingtons Hegemonialpolitik hat sich seit Jahrzehnten nicht geändert. Ausnahmslos alle transatlantischen Sicherheitskonzepte basierten auf der Sicherung der US-Dominanz, einschließlich der Unterwerfung Europas und der „Eindämmung“ Russlands. Die wichtigste Rolle wurde der NATO zugewiesen, die am Ende die EU, die für die Europäer geschaffen worden zu sein schien, „unterwarf“. Die Strukturen der OSZE wurden unter eklatantem Verstoß gegen die Schlussakte von Helsinki schamlos privatisiert.
Die rücksichtslose Ausweitung der NATO entgegen den wiederholten Warnungen Moskaus hat über viele Jahre hinweg auch die Ukraine-Krise provoziert, beginnend mit dem von Washington organisierten Staatsstreich im Februar 2014, um die vollständige Kontrolle über die Ukraine zu erlangen und mit Hilfe des an die Macht gebrachten Neonazi-Regimes einen Angriff gegen Russland vorzubereiten.
Als Poroschenko und dann Selensky im Donbass Krieg gegen ihre eigenen Bürger führten, das russische Bildungswesen, die russische Kultur, die russischen Medien und die russische Sprache insgesamt per Gesetz zerstörten und die ukrainisch-orthodoxe Kirche verboten, bemerkte das im Westen niemand und niemand verlangte von den Untergebenen in Kiew, „den Anstand zu wahren“ und nicht gegen internationale Übereinkommen über die Rechte nationaler Minderheiten oder sogar die Verfassung der Ukraine selbst zu verstoßen, die die Achtung dieser Rechte vorschreibt.
Die Militäroperation wurde eingeleitet, um genau diese Bedrohungen für die Sicherheit Russlands zu beseitigen und Menschen zu schützen, die sich als Teil der russischen Kultur fühlen und in Gebieten leben, die ihre Vorfahren seit Jahrhunderten besiedelt haben, um sie vor der juristischen und sogar physischen Ausrottung zu bewahren.
Es ist bezeichnend, dass selbst jetzt, wo zahlreiche Initiativen für eine Lösung in der Ukraine vorgeschlagen werden, nur wenige Leute an die Verletzung der Menschenrechte und der Rechte der nationalen Minderheiten durch Kiew denken.
Erst vor kurzem wurde in den EU-Dokumenten zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eine entsprechende Forderung formuliert, was vor allem auf die prinzipienfeste und beharrliche Haltung Ungarns zurückzuführen ist. Die tatsächlichen Möglichkeiten und der Wille Brüssels, auf das Kiewer Regime einzuwirken, sind jedoch fraglich.
Wir fordern alle, die wirklich an einer Überwindung der Krise in der Ukraine interessiert sind, auf, in ihren Vorschlägen die zentrale Frage der Rechte ausnahmslos aller nationalen Minderheiten zu berücksichtigen.
Das Schweigen zu diesem Thema entwertet Friedensinitiativen und unterstützt die rassistische Politik von Selensky faktisch. Es ist bezeichnend, dass Selensky 2014, also vor zehn Jahren, sagte:
„Wenn die Menschen im Osten der Ukraine und auf der Krim Russisch sprechen wollen, lasst sie in Ruhe, gebt ihnen gesetzlich das Recht, Russisch sprechen. Die Sprache wird unser Heimatland niemals spalten.“
Seitdem hat Washington ihn erfolgreich umerzogen, und 2021 forderte Selensky in einem seiner Interviews bereits diejenigen, die sich der russischen Kultur verbunden fühlen, auf, um der Zukunft ihrer Kinder und Enkel willen nach Russland zu gehen.
Ich appelliere an die Beherrscher des ukrainischen Regimes: Halten Sie sich an Artikel 1.3 der UN-Charta, der die Grundrechte und -freiheiten aller Menschen „ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion“ garantiert.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
der NATO reicht der Krieg nicht mehr, den sie durch die illegitime Regierung in Kiew gegen Russland entfesselt hat, und auch der gesamte Raum der OSZE reicht ihr nicht mehr. Nachdem die USA die grundlegenden Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle fast bis auf das Fundament zerstört haben, verschärfen sie die Konfrontation weiter.
Kürzlich haben die Staats- und Regierungschefs der Bündnisländer auf dem Gipfel in Washington ihren Anspruch auf eine führende Rolle nicht nur im transatlantischen, sondern auch im asiatisch-pazifischen Raum bekräftigt.
Es wird erklärt, dass sich die NATO nach wie vor von der Aufgabe leiten lässt, das Territorium ihrer Mitglieder zu verteidigen, dass aber zu diesem Zweck die Vorherrschaft des Bündnisses auf den gesamten eurasischen Kontinent und die angrenzenden Seegebiete ausgedehnt werden müsse.
Die militärische Infrastruktur der NATO verlagert sich mit dem offensichtlichen Ziel in den pazifischen Raum, die ASEAN-zentrierte Architektur zu untergraben, die jahrzehntelang auf den Grundsätzen der Gleichheit, der gegenseitigen Interessen und des Konsenses aufgebaut war.
Um diese inklusiven Mechanismen zu ersetzen, die um die ASEAN herum geschaffen wurden, schmieden die USA und ihre Verbündeten geschlossene konfrontative Blöcke wie AUKUS und andere verschiedene Arten von „Vierern“ und „Dreiern“, die ihnen untergeordnet sind. Neulich sagte der stellvertretende Pentagon-Chef Hicks, dass sich die USA und ihre Verbündeten „auf langwierige Kriege vorbereiten sollten, und zwar nicht nur in Europa“.
Um Russland, China und andere Länder „einzudämmen“, deren unabhängige Politik sie als Herausforderung für die Hegemonie empfinden, zerbricht der Westen durch sein aggressives Vorgehen das System der Globalisierung, das ursprünglich nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltet wurde.
Washington hat alles getan, um die Grundlagen der für beide Seiten vorteilhaften Energiezusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland und Europa insgesamt zu zerstören – auch buchstäblich durch die Organisation von Terroranschlägen auf die Nord-Stream-Gaspipelines.
Berlin hat damals geschwiegen. Heute erleben wir eine weitere Demütigung Deutschlands, dessen Regierung der Entscheidung der USA, bodengestützte Mittelstreckenraketen auf deutschem Territorium zu stationieren, bedingungslos gehorcht hat.
Der deutsche Bundeskanzler Scholz sagte einfach:
„Die USA haben entschieden, Präzisionsangriffswaffen in Deutschland zu stationieren, und das ist eine gute Entscheidung.“
Die USA haben entschieden.
Und bei all dem erklärt John Kirby, der Medien-Koordinator in Washington, im Namen des US-Präsidenten:
„Wir streben keinen dritten Weltkrieg an. Er hätte schreckliche Folgen für den europäischen Kontinent.“
Wie man so schön sagt, ein Freudscher Versprecher:
Washington ist überzeugt, dass nicht die USA unter einem neuen globalen Krieg leiden werden, sondern ihre europäischen Verbündeten. Wenn die Strategie der Biden-Administration auf dieser Analyse beruht, dann ist das eine äußerst gefährliche Fehleinschätzung. Und natürlich müssen die Europäer erkennen, welche selbstmörderische Rolle ihnen zugedacht ist.
Die Amerikaner, die dem gesamten kollektiven Westen „die Waffe an den Kopf halten“, weiten den Handels- und Wirtschaftskrieg mit den Unerwünschten aus, indem sie eine beispiellose Kampagne einseitiger Zwangsmaßnahmen entfesseln, die in erster Linie auf Europa zurückschlagen und zu einer weiteren Fragmentierung der Weltwirtschaft führen.
Die Länder des globalen Südens in Asien, Afrika und Lateinamerika leiden unter den neokolonialen Praktiken der westlichen Länder. Die illegalen Sanktionen, die zahlreichen protektionistischen Maßnahmen und Beschränkungen des Zugangs zu Technologien stehen in direktem Widerspruch zu echtem Multilateralismus und behindern die Erreichung der Ziele der UN-Entwicklungsagenda erheblich.
Wo sind all die Attribute des freien Marktes, die die USA und ihre Verbündeten so viele Jahre lang allen beigebracht haben? Marktwirtschaft, fairer Wettbewerb, Unverletzlichkeit des Eigentums, Unschuldsvermutung, freier Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr – all das wurde über Bord geworfen.
Die Geopolitik hat die für den Westen einst heiligen Gesetze des Marktes zu Grabe getragen. In jüngster Zeit haben Beamte aus den USA und der EU China öffentlich aufgefordert, die „Überproduktion“ in Hightech-Industrien zu reduzieren, da der Westen auch in diesen Sektoren seine langjährigen Vorteile zu verlieren begonnen hat. Anstelle von Marktprinzipien sind es nun genau diese „Regeln“.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
das Vorgehen der USA und ihrer Verbündeten behindert die internationale Zusammenarbeit und den Aufbau einer gerechteren Welt, hält ganze Länder und Regionen in Geiselhaft, hindert die Völker an der Ausübung der in der UN-Charta verankerten Souveränitätsrechte und lenkt von der dringend notwendigen gemeinsamen Arbeit zur Lösung der Konflikte im Nahen Osten, in Afrika und anderen Regionen, zur Verringerung der weltweiten Ungleichheit, zur Beseitigung der Bedrohungen durch Terrorismus und Drogenkriminalität, Hunger und Krankheit ab.
Ich bin überzeugt, dass diese Situation behoben werden kann – natürlich, wenn der gute Wille vorhanden ist. Um die Entwicklung des Negativszenarios zu stoppen, möchten wir eine Reihe von Schritten zur Diskussion stellen, die darauf abzielen, das Vertrauen wiederherzustellen und die internationale Situation zu stabilisieren.
Erstens:
Man muss die Ursachen der Krise in Europa ein für alle Mal beseitigen. Die Bedingungen für die Schaffung eines dauerhaften Friedens in der Ukraine wurden vom Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, dargelegt; ich werde sie nicht wiederholen.
Eine politische und diplomatische Lösung muss mit konkreten Schritten einhergehen, um die Bedrohung der Russischen Föderation aus dem westlichen, dem transatlantischen Raum zu beseitigen. Bei der Vereinbarung gegenseitiger Garantien und Abkommen müssen wir die neuen geostrategischen Realitäten auf dem eurasischen Kontinent berücksichtigen, wo eine kontinentweite Architektur wirklich gleicher und unteilbarer Sicherheit Gestalt annimmt. Europa riskiert, hinter diesen objektiven historischen Prozess zurückzufallen. Wir sind zur Suche nach einem Interessenausgleich bereit.
Zweitens:
Die Wiederherstellung des regionalen und globalen Kräftegleichgewichts muss mit aktiven Bemühungen zur Beseitigung von Ungerechtigkeiten in der Weltwirtschaft einhergehen.
In einer multipolaren Welt kann es per Definition keine Monopolisten in den Bereichen Währungs- und Finanzregulierung, Handel oder Technologie geben.
Diese Ansicht wird von der großen Mehrheit der Weltgemeinschaft geteilt. Von besonderer Bedeutung ist die baldige Reform der Bretton-Woods-Institutionen und der WTO, deren Aktivitäten das tatsächliche Gewicht der nicht-westlichen Wachstums- und Entwicklungszentren widerspiegeln müssen.
Drittens:
Ernsthafte, qualitative Veränderungen müssen auch in anderen Institutionen der Weltordnung stattfinden, wenn sie zum Wohle aller arbeiten sollen. Dies gilt vor allem für unsere Organisation, die UNO, die trotz allem immer noch die Verkörperung des Multilateralismus ist, mit ihrer einzigartigen, universellen Legitimität und der allgemein anerkannten Breite ihrer Kompetenzen.
Ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Wirksamkeit der UNO wäre, wenn alle ihre Mitglieder ihr Bekenntnis zu den Grundsätzen der UN-Charta bekräftigen würden, und zwar nicht punktuell, sondern in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenwirken. Wir können gemeinsam darüber nachdenken, wie so eine Bekräftigung aussehen könnte.
Die Gruppe der Freunde zur Verteidigung der UN-Charta, die auf Initiative Venezuelas gegründet wurde, arbeitet hart daran.
Wir laden alle Länder, die noch an die Herrschaft des Völkerrechts glauben, ein, sich ihrer Arbeit anzuschließen.
Ein Schlüsselelement der Reform der UNO muss eine Änderung der Zusammensetzung des Sicherheitsrates sein, auch wenn das allein nicht zielführend sein wird, solange keine grundsätzliche Einigung über den Modus Operandi der ständigen Mitglieder besteht.
Diese Überlegung ändert jedoch nichts an der Notwendigkeit, die geografischen und geopolitischen Verzerrungen im Sicherheitsrat zu beseitigen, in dem der kollektive Westen heute eindeutig überrepräsentiert ist.
Eine möglichst breite Einigung über die spezifischen Parameter der Reform zur Stärkung der Vertretung Asiens, Afrikas und Lateinamerikas ist ein längst überfälliger Schritt.
Auch eine Änderung der Personalpolitik des Sekretariats ist erforderlich, um die Überrepräsentation westlicher Staatsangehöriger und Subjekte in den Verwaltungsstrukturen der UNO zu beseitigen.
Der Generalsekretär und sein Personal sind ausnahmslos den Grundsätzen der Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet, wie sie in Artikel 100 der UN-Charta festgelegt sind, woran wir nicht müde werden zu erinnern.
Viertens:
Neben der UNO müssen auch andere multilaterale Organisationen zur Stärkung der Multipolarität im internationalen Leben beitragen. Dazu gehören die G20, in der sowohl die Länder der Weltmehrheit als auch die westlichen Staaten vertreten sind. Das Mandat der G20 ist strikt auf wirtschaftliche und entwicklungspolitische Fragen beschränkt, daher ist es wichtig, dass der inhaltliche Dialog auf dieser Plattform frei von opportunistischen Versuchen ist, geopolitische Themen einzubringen. Andernfalls werden wir diese nützliche Plattform zerstören.
Die BRICS und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit spielen eine immer wichtigere Rolle beim Aufbau einer gerechten multilateralen Ordnung auf der Grundlage der Prinzipien der UN-Charta.
Sie vereinen Länder, die verschiedene Regionen und Zivilisationen repräsentieren und auf der Grundlage von Gleichheit, gegenseitigem Respekt, Konsens und für beide Seiten akzeptablen Kompromissen zusammenarbeiten, das ist der „Goldstandard“ der multilateralen Zusammenarbeit unter Beteiligung von Großmächten.
Regionale Zusammenschlüsse wie die GUS, die OVKS, die Eurasische Wirtschaftsunion, die ASEAN, der Golf-Kooperationsrat, die Liga Arabischer Staaten, die Afrikanische Union und die CELAC sind von praktischer Bedeutung für den Aufbau der Multipolarität. Wir sehen es als eine wichtige Aufgabe an, vielfältige Verbindungen zwischen ihnen herzustellen, auch unter Einbeziehung des Potenzials der UNO.
Die russische Präsidentschaft im Sicherheitsrat wird eine ihrer nächsten Sitzungen der Zusammenarbeit der UNO mit den eurasischen Regionalorganisationen widmen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
in seiner Rede auf dem Parlamentarischen BRICS-Forum am 9. Juli dieses Jahres in St. Petersburg sagte der russische Präsident Wladimir Putin:
„Die Schaffung einer Weltordnung, die das tatsächliche Gleichgewicht der Kräfte widerspiegelt, ist ein komplexer und in vielerlei Hinsicht sogar schmerzhafter Prozess.“
Wir sind der Meinung, dass die Diskussionen über dieses Thema auf einer nüchternen Analyse der Gesamtheit der Fakten beruhen sollten, ohne in fruchtlose Polemik abzugleiten.
In erster Linie muss man die professionelle Diplomatie, die Kultur des Dialogs, die Fähigkeit zuzuhören und die Kanäle der Krisenkommunikation erhalten. Das Leben von Millionen von Menschen hängt davon ab, ob Politiker und Diplomaten in der Lage sind, eine gemeinsame Vision der Zukunft zu formulieren. Ob unsere Welt vielfältig und gerecht sein wird, hängt allein von den Mitgliedsländern der UNO ab.
Die Charta unserer Organisation ist der Dreh- und Angelpunkt. Wenn sich ausnahmslos alle an Geist und Buchstaben der Charta halten, kann die UNO die derzeitigen Differenzen überwinden und in den meisten Fragen auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Das „Ende der Geschichte“ ist nicht eingetreten. Lassen Sie uns gemeinsam auf den Beginn der Geschichte des echten Multilateralismus hinarbeiten, die den Reichtum der kulturellen und zivilisatorischen Vielfalt der Völker der Welt widerspiegelt. Wir laden Sie zu dieser Diskussion ein, die natürlich ausschließlich ehrlich sein muss.
Quelle und Bilder: Anti-Spiegel.ru
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