Die Nato zündelt weiter!

Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger. 

Unter Führung der Deutschen Luftwaffe trainieren vom 12. bis zum 23. Juni 2023 unter dem Namen Air-Defender 23 über 10.000 Soldaten aus 25 Nationen mit 250 Kampfjets reale Kriegsoperationen.

Unter den Teilnehmern befindet sich auch Schweden, das im Mai 2022 um Mitgliedschaft in der NATO (1) angesucht hat. Bei dieser Luftwaffenübung handelt es sich um ein “Manöver der Superlative” (2), zu einem brenzligen Zeitpunkt.

Der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Michael Ebling (SPD) verharmlost hingegen die Dimension dieser NATO-Übung, wenn er davon spricht, dass auch die Bürger den Manöver-Lärm zu ertragen hätten und begründete dies mit der „Form der Zeitenwende“ und dem „Verändern der politischen Landkarte durch den Aggressor Russland“.(3)

Ähnliche Manöver

Schon im Jahr 2021 übten im Rahmen des Manövers Defender Europe 21 über 30.000 Soldaten aus 26 Nationen den Aufmarsch von NATO-Verbänden im Osten des Bündnisses mit den Schwerpunktregionen Estland, Rumänien und Bulgarien – auch dies war eine provokative Botschaft an Russland. Drehscheibe für alle kontinentalen Truppentransporte war Deutschland. Darauf hatte Generalinspekteur Eberhard Zorn Ende September 2020 in der FAZ hingewiesen, als er sagte: „Wir beteiligen uns wesentlich am zentralen Abschreckungsinstrument, der NATO-Speerspitze, die wir 2023 wieder anführen. Unsere Heeresbrigaden führen multinationale Verbände zur Unterstützung Litauens. Und unsere Marine ist in allen NATO-Einsatzverbänden in Mittelmeer, Nord- und Ostsee aktiv. … Durch unsere Lage mitten im europäischen NATO-Gebiet sind wir Drehscheibe alliierter Truppenbewegungen und rückwärtiger Operationsraum, damit aber auch potentielles Angriffsziel. Wir befinden uns nach wie vor in Reichweite konventioneller und nuklearer Waffen.“(4) Ein General wohlgemerkt, der einmal geschworen hatte, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, erklärte dieses Land fast beiläufig und ungerührt zum Spielfeld eines Dritten Weltkriegs.

In vielen NATO-Manövern übernimmt Deutschland die Rolle des Gastgeberlandes (engl. “Host Nation”) für die teilnehmenden Streitkräfte. „Das geht beispielsweise von der Planung und Genehmigung von Durchfahrten über deutsche Straßen oder Gewässer bis hin zum Bereitstellen von Unterkünften oder Betankungsmöglichkeiten an Bundeswehr-Standorten. Grundsätzlich kann jede ausländische Streitkraft, die nach Deutschland kommen möchte, ‚Host Nation Support‘ beantragen.“(5)

So wurden die Militärs bei Defender Europe 21 mit einer Vielzahl von Verlegerouten aus den USA quer durch Europa, bis hin zur russischen Grenze vertraut gemacht. Dazu gehören in einem simulierten “Schlachtfeldnetzwerk” von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer zahlreiche Kriegsübungen. In seiner Planung griff das Militärbündnis auf Übungsformate zurück, wie es sie in der Region schon seit Jahren regelmäßig umsetzt…(6)

Hintergründe

Das aktuelle Luftmanöver Air-Defender 23 soll schon 2018 geplant worden sein und steht daher dem Anschein nach nicht mit dem Ukraine-Krieg in Verbindung. Jedoch steht es in ersichtlichem Zusammenhang mit dem vom Westen im Februar 2014 orchestrierten Putsch in der Ukraine.

Nur Monate danach, im September 2014, stellte der Vier-Sterne-General David. G. Perkins und Befehlshaber des “United States Army Training and Doctrine Command” (TRADOC) das strategische Nachfolgepapier “TRADOC 525-3-1 Win in a Complex World 2020-2040” vor.

Mit “Win in a Complex World 2020-2040” (Siegen in einer komplexen Welt) erhielten die US-Streitkräfte den (freilich euphemistisch formulierten) Auftrag, die von Russland und China ausgehende Bedrohung abzubauen. General Perkins betonte damals unter Berufung auf zunehmend entschlossene und schwer fassbare Gegner, dass es in dem Strategiepapier um die Bedeutung und Fähigkeiten von ständig einsatzbereiten Streitkräften gehe. TRADOC 525-3-1 solle die Feinde abschrecken, die Verbündeten beruhigen und (noch) neutrale Kräfte auf die eigene Seite holen.(7) Ähnlich äußerte sich am 7. Juni 2023 (vor Beginn des Manövers Air-Defender 23) die US-Botschafterin Amy Gutmann auf der Bundespressekonferenz in Berlin (mit Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe): „Es würde mich sehr wundern, wenn irgendein Staatsoberhaupt der Welt nicht zur Kenntnis nähme, was dies (das Manöver) in Bezug auf den Geist dieses Bündnisses, das heißt, die Stärke des Bündnisses, zeigt. Und das schließt Herrn Putin ein.“(8) Beiläufig setzte sie dort – nach Manier des Kalten Krieges – „Abschreckung“ und „Verteidigung“ einander gleich.(9)

Provokantes NATO-Manöver zur Unzeit

„Deutschland, in einem fiktiven Jahr der Zukunft: Die jahrelange Konfrontation der NATO mit dem östlichen Militärbündnis OCCASUS hat den Boden der Bundesrepublik erreicht. Spezialkräfte der Organisation Brückner und andere Truppen von OCCASUS konnten von Osten nach Deutschland eingeschleust werden. Nun halten Luft- und Bodenkräfte die gesamte Region Klebius besetzt, etwa ein Viertel des Landes. Und der nächste taktische Zug ist bereits absehbar: Die OCCASUS-Allianz versucht nach Norden zur Ostsee vorzustoßen und den Rostocker Hafen in Besitz zu nehmen. Dabei nutzt sie eine Mischung aus Sabotageaktionen und den Einsatz von Spezialkräften, die aus der Luft unterstützt werden. Die Folge: Das westliche Bündnis löst den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages aus.“(10)

So lautet das fiktive Szenario der geopolitischen Ausgangslage für Air-Defender 23. Das Problem dabei: diese fiktive Zukunft spielt im Deutschland der Gegenwart und bedroht, ja konfrontiert potentiell ein Russland, dessen (anfängliche) Beweggründe für den Angriffskrieg auf die Ukraine in dieser Weise nur noch bestärkt werden können. Die Verschärfung einer ohnehin brenzligen Lage ist unter Berufung auf das bloß fiktive Übungs-Szenario in einer Art verniedlicht, die allenfalls die eigenen Reihen beruhigen kann.

Air-Defender 23 ist die größte Verlegeübung seit Gründung der NATO  am 4. April 1949. Allein aus den USA sollen über 100 Militärjets nach Deutschland verlegt werden. Wie die links-orientierte Tageszeitung Junge Welt am 12. Juni 2023 titelte, legt die Bundeswehr Wert auf den Umstand, dass „das Großmanöver von Deutschland geplant und geleitet wird“. Insgesamt über 10.000 Militärs nehmen planmäßig daran teil. Das erinnert an die früheren “BIG LIFT”-Operationen: Für den Kriegsfall wurde 1963 über die Luftbrücke die 2nd (US) Armored Division von Texas nach Deutschland verlegt. Ihre Priorität lag während der Gefechtsübungsphase auf dem Durchführen eines Gegenschlages, nicht zuletzt unter Einsatz von Atomwaffen.(11)

Als Teil der Übung streben NATO-Partner nach Luftüberlegenheit und gehen gemeinsam in deutschem Luftraum den Ablauf von Missionen durch. Dazu sammeln sich Flugzeuge der unterschiedlichen Staaten in sogenannten “Assembly Areas”, also in Bereitstellungsräumen: Spezialflugzeuge für den Elektronischen Kampf (EloKa) identifizieren und unterdrücken dabei gegnerische Radar- und Flugabwehrstellungen. Erst wird der Gegner mit Jagdflugzeugen in der Luft bekämpft, nachfolgend mit Bombern am Boden. Über allen fliegen Aufklärungsmaschinen und Tankflugzeuge für ausreichend Treibstoff: (12) In drei Übungsräumen über Deutschland werden also Luftbetankungen, Kämpfe, Tiefflüge und andere Operationen geübt. Dafür wird der Luftraum zeitweise für den zivilen Luftverkehr gesperrt. Air-Defender 23 simuliert ein Artikel-5-Beistandsszenario in Reaktion auf einen fiktiven Angriff auf einen europäischen NATO-Staat. Tägliche Missionen werden die über 200 eingesetzten Flugzeuge nach Osteuropa führen; einige sogar bis nah an die russische Grenze.(13)

Dieses Großmanöver zur Unzeit dürfte Erinnerungen an die Mobilisierung der britischen Homefleet am 18. Juli 1914 wecken. Am 25. Juli 1914, wenige Tage vor Kriegsausbruch, befand sich der damalige Deutsche Kaiser Wilhelm II gerade auf seiner alljährlichen Nordlandfahrt (14). Als er davon erfuhr, dass die Homefleet ihre Kriegspositionen bezogen hatte, gab er den Befehl, sofort nach Kiel umzukehren.

Auswirkungen

Durch den Ukraine-Krieg wird die Bedeutung dieses Großmanövers beträchtlich verschärft: Der Übung komme „eine noch tragendere Rolle als weithin sichtbares Zeichen der Stärke der NATO und insbesondere des transatlantischen Bündnisses unter deutscher Führung zu“(15), heißt es vonseiten der Bundeswehr. Die realen und außenpolitisch brisanten Implikationen dieser so fiktiv wie präventiv präsentierten Manöver-Rahmenbedingungen liegen auf der Hand.

Einschränkungen im Luftverkehr während der Übungsphase mögen noch hinnehmbar sein. Aber die angebliche Abschreckung und die zur Schau gestellte Stärke sind kein Schutz, sondern stellen in der gegenwärtigen Situation – wo jede Bemühung um Deeskalation im Mittelpunkt stehen müsste – ihrerseits eine gefährliche Steigerung der Eskalationsspirale dar. Dem Wohl und der Sicherheit der Menschen dieses Kontinents wäre ungleich mehr gedient, wenn die für diese Übung aufgewandten enormen Mittel, Summen und Ressourcen stattdessen in die friedliche Krisenprävention fließen würden.

In einer Zeit, wo in Deutschland das Klima höhere Priorität hat als der Frieden, dürfte auch so manchen Leser interessieren, dass allein 1 Eurofighter pro Flugstunde 11 Tonnen CO2 ausstößt. Da stellt sich die Frage, wo der Protest der Klimakleber bleibt.

Reale Drohkulissen

Vor einem Jahr wurde die NATO-Übung BaltOps 2022 nach Darstellung des Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh als Tarnung für den Sprengstoffanschlag auf die NordStream-Gaspipelines genutzt.  In einem Interview mit dem Wall Street Journal äußerte am 3. Juni 2023 der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass die Ukraine bereit für die seit langem angekündigte Gegenoffensive zur Befreiung ihrer Gebiete von der russischen Besatzung sei.(16) Während der Kreml diese Frühjahrsoffensive Kiews erwartet, muss der aktuellen NATO-Übung große Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Der russische Generalstab wird vor allem nicht ausschließen können, dass sie auch als potentielle Deckung für einen echten Angriff ausgenutzt wird.

Air-Defender 23 ist sicherlich nicht geeignet, die Welt friedlicher zu machen. Die Übung steht in ihrer Rhetorik und medialen Inszenierung ganz im Zeichen der Kriegseuphorie einer vorgeblichen Zeitenwende. Provozierend steigert sie die Ignoranz, mit der der Westen den Interessen Russlands seit Jahrzehnten gegenübertritt. Wie jede militärische Übung steht auch diese zu ihrer eigenen Rechtfertigung – vor dem Hintergrund sorgsam gepflegter Feindbilder – im Zeichen der bloßen Verteidigung.

Quellen und Anmerkungen

Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik.

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