Ein Kommentar von Norbert Häring.
Die soziale Spionage
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will nach übereinstimmenden Medienberichten ein Gesetz erlassen, das es dem Inlandsgeheimdienst erlauben würde, regierungskritische Bürger, gegen die er ermittelt, in deren sozialem Umfeld anzuschwärzen. Das entspricht gängigen Definitionen von Totalitarismus. Beispiele, wohin so etwas führt, gibt es nicht nur aus dem Nationalsozialismus oder der DDR, sondern auch aus dem gegenwärtigen Deutschland <1>.
Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert <2>:
„Totalitarismus bezeichnet eine politische Herrschaft, die die uneingeschränkte Verfügung über die Beherrschten und ihre völlige Unterwerfung unter ein (diktatorisch vorgegebenes) politisches Ziel verlangt.“
Wie zuerst die Süddeutsche Zeitung (Bezahlschranke <3>) und dann u.a. Bild <4> und Cicero (Bezahlschranke <5>) berichteten, will die bei den hessischen Wählern durchgefallene Bundesinnenministerin dem sogenannten Verfassungsschutz, der die Regierung vor der Verfassung schützen soll, das Recht geben, beliebige Bürger und Institutionen vor Menschen zu warnen, die er beobachtet. Dazu braucht es nur die Einschätzung, die keines Beweises bedarf, dass von diesen eine Gefahr ausgehen könnte.
Cicero formuliert die nicht ganz treffende Überschrift „Willkommen in der Denunziantenrepublik!“ und den um so treffenderen ersten Satz:
„Immer mehr entwickelt sich der Verfassungsschutz mit Hilfe der Politik zu einer Behörde, die selbst die Demokratie zu gefährden droht.“
Nicht ganz treffend ist die Überschrift, weil Denunzianten normalerweise andere Bürger beim Staat anschwärzen, während hier der Staat Bürger bei anderen Bürgern anschwärzt, was noch viel schlimmer ist.
Offenbar handeln die Ampelkoalition und insbesondere Faser nach der Devise „Sind der Ruf und die politische Karriere erst ruiniert, regiert sich’s (bis zur nächsten Wahl) völlig ungeniert“.
Bisher darf der sogenannte Verfassungsschutz nur die Polizei informieren, wenn er auf konkrete Kriminalität oder Gefahren stößt, ausnahmsweise, mit besonderer Einzelfallgenehmigung des Innenministeriums, auch andere.
Der oder die Betroffene müsste über die Anschwärzung durch die Schlapphüte nicht informiert werden. Irgendwann, wenn erst Bankkonto, dann der Handy-Vertrag gekündigt wurde, er oder sie von Vereinen und potentiellen Vermietern und Arbeitgebern abgewiesen wird und Kunden plötzlich reihenweise wegbleiben oder Aufträge stornieren, wird ihm oder ihr schwanen, dass im Hintergrund so etwas laufen könnte.
Dass das alles andere als irrationale Schwarzseherei ist, zeigt der aktuelle Erfahrungsbericht <6> des Bloggers Hadmut Danisch, eines linkenhassenden und freiheitsliebenden, aber ansonsten – soweit ich das beurteilen kann – völlig harmlosen Regierungskritikers.
Nachdem er Einblick in seine Akte bei der Staatsanwaltschaft und Auskunft vom Berliner „Verfassungsschutz“ bekam, schrieb er kürzlich auf, was er dort gefunden hat. Der Bericht ist lang, aber unterhaltsam und schockierend. Die Kurzfassung, wie von ihm dargestellt und überwiegend durch Fotos der Akten belegt:
Er hatte geschrieben, dass es möglich sein müsse zu sagen, dass eine füllige Politikerin dick sei. Mit einiger Verzögerung, nachdem diese Politikerin zur Grünenchefin gewählt worden war, wurde er von einer staatlich finanzierten „Meldestelle“ angezeigt und die Berliner Staatsanwaltschaft leitete ein Strafverfahren wegen Beleidigung ein. Sie „ermittelte“ über ein Jahr in einem Fall, in dem alles offen dalag.
Die Ermittlungen führten letztlich, nach einigen illegalen behördlichen Aktionen, dazu, dass seine Hausbank Danisch das Konto kündigte und dass Staatsanwaltschaft und wohl auch der sogenannte Verfassungsschutz die Namen und Daten aller finanzieller Unterstützer seiner Bloggertätigkeit abgriffen. Diese kann der sogenannte Verfassungsschutz nun auch ins Visier und direkt oder über befreundete Institutionen aufs Korn nehmen.
Das Gericht wies letztlich die Anklage der Staatsanwaltschaft ab, die zwischenzeitlich den Vorwurf durch einen nicht minder absurden ausgewechselt hatte.
Es fällt nicht schwer, sich Konstellationen vorzustellen, in denen es dem sogenannten Verfassungsschutz leicht fallen würde, Bürger mit unbequemen Meinungen aus dem gesellschaftlichen Leben zu entfernen. Wer zum Beispiel Meinungen hinsichtlich der Souveränität Deutschlands vertritt, wie sie von Reichsbürgern – aber auch vom ehemaligen Bundesminister <7> Wolfgang Schäuble – vertreten werden, dem kann man ohne weiteres andichten, dass er eine Gefahr darstelle, denn er könnte ja Reichsbürger sein. Und Reichsbürger sind nach derzeit gängiger amtlicher Lesart grundsätzlich gefährlich.
All das, was Danisch widerfahren ist, und viel mehr, kann die Regierung via Verfassungsschutz dann gegen Kritiker anwenden, ohne sich erkennbar in die Illegalität zu begeben und Verrenkungen mit einem windigen Strafverfahren als Vorwand für solche Aktionen.
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