Zu Beginn der Pandemie gab es in Deutschland rund 28.000 Intensivbetten. Mit großem Tamtam nahm sich die Politik der Sache an und spendierte den Krankenhäusern fast 700 Millionen Euro für 13.700 weitere Betten. Eigentlich sollten also jetzt zu Beginn des Winters 41.700 Intensivbetten zur Verfügung stehen – es sind jedoch nur 22.230 Betten und davon sind laut Intensivregister nur 2.439 frei. Und wo ist der Rest? Die Betten wurden vom Steuerzahler bezahlt und sind physisch vorhanden – meist in den Kellern noch original verpackt. Es fehlt jedoch das Personal, sie zu bedienen. Der Bund hat den Krankenhausbetreibern zwar im letzten Jahr ganze 15,3 Milliarden Euro Corona-Zuschüsse überwiesen. Aber die müssen ja Rendite erwirtschaften und an das Personal denkt man weder bei den Betreibern noch in den Ministerien. Und so kommt es, wie es kommen musste.
Wie es zu Engpässen auf den Intensivstationen kommen kann, zeigt das Beispiel des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. In den Jahren 2016 und 2017 verfügte das UKE über durchgehend 146 Intensivbetten.
Bis zum Mai 2020 wurde die Zahl geringfügig auf 140 gesenkt. Im Juni 2020 wurde eine Intensivstation mit 12 Betten in die Reserve verschoben. Nun waren es nur noch 128 Betten. Die wurden mit kleineren Schwankungen auch durchgängig im Jahr 2021 gemeldet, bis im September dieses Jahres die Zahl plötzlich auf 108 gesenkt wurde. Weitere 20 Betten wurden also in die Reserve verschoben und nicht mehr dem Intensivregister gemeldet. Und obgleich das UKE im Intensivregister selbst mit dieser Bettenzahl mit einem grünen Licht ausreichend freie Kapazitäten signalisiert, warnt dessen intensivmedizinischer Direktor kontrafaktisch in den Medien vor einer drohenden „Triage“ in seinem Haus – dies wohlgemerkt bei einer Auslastung, die im Vergleich zu den Vorjahren auf einem historischen Tiefststand ist; so tief, dass man dutzende Intensivbetten in die Reserve verschoben hat.
Dabei sind volle Intensivstationen kein Fehler im System, sondern der Normalfall.
Ein Sprecher der Hamburger Sozialbehörde kommentiert die Zahlen daher auch lakonisch: „Intensivbetten sind nicht dafür da, dass sie ungenutzt rumstehen. […] Dass man eine verhältnismäßig hohe Auslastung im intensivmedizinischen Bereich hat, das ist richtiggehend normal“. Ein Blick auf die Auslastung des UKE der letzten sieben Jahre, die eine kontinuierliche Auslastung zwischen 79% und 91% auflistet, bestätigt diese Einschätzung.
Nun ist das UKE als Maximalversorger aber nicht repräsentativ. Bei den kleineren Krankenhäusern in der Provinz gibt es vor allem im Winter immer wieder regional größere Schwankungen und wenn es mal wieder eine größere Grippewelle gibt, müssen auch regelmäßig Operationen verschoben und Intensivpatienten in andere Häuser verlegt werden.
Dies sollte eigentlich „bei Corona“ anders werden. Darum hat das Bundesgesundheitsministerium auch zwischen März und September 2020 die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt, um die Intensivkapazitäten massiv zu erhöhen, um einen möglichen Peak in den kommenden Wintern abzufedern.
Jedes neue Bett wurde mit 50.000 Euro bezuschusst. 13.700 zusätzliche Betten sollten so geschaffen werden. Zusätzlich geschaffen wurde von den Kliniken in Summe jedoch kein einziges Bett. Im Gegenteil. Wurden im Sommer 2020 dem Intensivregister noch durchgängig im Schnitt rund 30.000 Betten gemeldet, sind es aktuell nur noch 22.230. Wo sind die neuen Betten? Und wo sind die Betten, die im Sommer letzten Jahres noch gemeldet wurden?
Zumindest die erste Frage lässt sich leicht beantworten. „Die Geräte stehen in den Notfalllagern“, so ein Sprecher des Klinikums Stuttgart, das zusätzlich zu seinen 90 Intensivbetten ganze 209 neue Betten samt Ausrüstung vom Steuerzahler finanziert bekommen hat.
Andere Häuser äußern sich ähnlich.
Hier scheine wohl ein Missverständnis vorzuliegen.
Es sei nie die Rede davon gewesen, dass diese Betten auch betrieben werden.
Man könne sie sich vielmehr als „Puffer“ vorstellen.
Der Bundesrechnungshof vermutet hier „Mitnahmeeffekte“, der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes ist gar empört und fordert strafrechtliche Konsequenzen.
Doch das wird ins Leere laufen. Denn die Krankenhäuser haben ja nicht unrecht. Die Geschenke von Minister Spahn wurden ohne die Auflage verteilt, dass man diese Betten auch betreiben müsse – ein weiterer Punkt in der sehr, sehr langen Liste des vollkommenen Versagens in der Corona-Politik.
Zurzeit werden 2.439 freie Betten gemeldet.
Das ist nicht wirklich dramatisch, obgleich es natürlich regional in der Tat zu Kapazitätsproblemen kommt.
Stünden zusätzlich – wie von der Bundesregierung ja eigentlich so geplant – 13.700 weitere Betten zur Verfügung, müsste man das Thema eigentlich gar nicht weiter behandeln.
Dann könnten die deutschen Häuser wohl die Covid-Patienten der gesamten EU aufnehmen.
So haben wir 13.700 „zusätzliche“ Intensivbetten, für die der Steuerzahler stolze 686 Millionen Euro bezahlt hat, von denen laut Divi 9.387 in den Kellern der Krankenhäuser lagern und die als „Notfallreserve“ geführt werden.
Nun vergeht ja kein Tag, an dem nicht irgendein Funktionär von überlaufenden Intensivstationen und einer angeblich drohenden Triage spricht.
Ist das kein Notfall? Diese Frage ist unerheblich, da hier ein weiteres, viel größeres, Politikversagen zum Tragen kommt – man hat offenbar ganz „vergessen“, dass Intensivbetten auch vom Personal betrieben werden müssen, und Personal fehlt im gesamten Krankenhausbetrieb bekanntlich an allen Ecken und Enden.
Das ist alles andere als neu. In meinem im Sommer erschienenen „Schwarzbuch Corona“ habe ich das Problem bereits ausführlich analysiert. Ohne die Versäumnisse im deutschen Gesundheitssystem wäre uns zumindest ein großer Teil der im letzten Winter an oder mit Corona verstorbenen Patienten erspart geblieben.
Dass man im letzten Jahr keine ausreichenden Vorbereitungen getroffen hat, war ein Skandal. Dass man nun – ein weiteres Jahr später und um viele Erfahrungen reicher – nicht reagiert hat, ist ein Verbrechen.
2011 – also vor zehn Jahren – hatte ich hier auf den NachDenkSeiten das erste Mal den Pflegenotstand thematisiert. Vor einem Jahr warnte ich bezüglich des kommenden Winters vor einer „Katastrophe mit Ansage“.
Dieser Text könnte – mit Einschränkungen – auch heute noch genau so erscheinen. Denn passiert ist nichts. Der Staat hat den Krankenhäusern im Zuge der Pandemie – Stand Sommer 2021 – ganze 15,3 Milliarden Euro an Zuschüssen zukommen lassen.
Wo ist dieses Geld geblieben? Zur Aufstockung des Personals wurde es jedenfalls nicht eingesetzt. Und das kann man nicht nur den Krankenhausbetreibern vorwerfen. Hätte die Politik diese Zuschüsse an Personalmaßnahmen gekoppelt, sähe es heute nämlich anders aus.
So stehen wir im Herbst 2021 wieder einmal vor einem Problem. Und das hat nichts mit den Ungeimpften zu tun, auf die man das ganze Versagen der Politik und der renditeorientierten Krankenhausbetreiber zurzeit abwälzt.
Der Ausnahmezustand ist auf den Stationen die Regel und weder Politik noch Krankenhausbetreiber sind gewillt, daran etwas zu ändern. Da ist es kein Wunder, dass zahlreichen Pflegekräften mittlerweile die Hutschnur hochgeht.
Corona ist nicht der Grund für den Dauernotstand in den Kliniken. Im besten Falle könnte Corona jedoch ein Brennglas sein, das diesen Dauernotstand, von dem niemand etwas wissen will und gegen den niemand etwas tun will, offenlegt.
Doch auch diese Chance wurde vertan. Nicht das kaputte System, sondern die Ungeimpften sind ja schließlich daran schuld, dass auf den Stationen ein weiterer harter Winter droht. Und zumindest auf eins können wir uns verlassen:
Egal wie hart der Winter wird, egal wie viele Tote es gibt – ändern wird sich an dem Notstand nichts. Warum?
Weil die Politik nicht helfen will und der Wähler dieser Frage keine große Bedeutung zumisst.
Oder war die Pflegesituation bei ihrem letzten Kreuzchen ein entscheidender Faktor?
P.S.: Meine Frau, die selbst mit Corona-Patienten, aber auch mit „normalen“ internistischen Patienten arbeitet, kann es nicht mehr hören, wenn ihr irgendwer – meist ja durchaus nett gemeint – seine Hochachtung ausspricht, da sie ja „wegen Corona“ so viel zu tun habe.
„Die Ungeimpften“ sollten sich schämen, so wird dann oft hinterhergeschoben. Nun, sie arbeitet in einem Haus mit 310 Betten, von denen momentan drei – sie haben richtig gelesen – mit Corona-Intensivpatienten belegt sind, von denen rein statistisch zwei ungeimpft sind.
Meinen diese Leute denn, ohne diese zwei Patienten wäre das Leben als Krankenschwester ein Zuckerschlecken?
All die Überstunden, der Stress, die physische sowie psychische Belastung nur wegen dieser zwei Patienten? Dann heißt es gerne in den Medien, die Pfleger auf der Intensivstation müssten ja die Patienten in Bauchlage bringen.
Ein harter Job. Das ist so. Aber auch auf anderen Stationen müssen die Krankenschwestern – meist alleine – 150kg schwere Patienten wenden; mehrfach am Tag.
Vielleicht sollten all die „Beifallklatscher“ mal ein freiwilliges Praktikum im Krankenhaus absolvieren.
Dann würden sie sehr schnell mitbekommen, dass Corona nicht das einzige und beileibe nicht das schlimmste Problem auf den Stationen ist.
Quelle: Nachdenkseiten.de
Bild: die Durchblicker – Pixabay-Geralt
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