Richter: Orientierungslos im Rechtsstaat

Rechtsstaat: Wohin des Weges?

Bereits wenige Wochen nach dem ersten Lockdown im März 2020 und im weiteren Verlauf der Corona-Krise meldeten anerkannte Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen erhebliche Bedenken gegen die staatliche Beurteilung der Gefährdungslage durch den Virus Sars-Cov-2, die zugrunde gelegten Daten und die Auswahl der Schutzmaßnahmen an und unterbreiteten konstruktive Alternativvorschläge.

Es folgten ebenso bis heute kritische Beiträge aus dem anerkannten juristischen Wissenschaftsbetrieb und der Praxis sowie – angesichts der weit überwiegenden Sprachlosigkeit in Richter- und Anwaltschaft einschließlich ihrer berufsrechtlichen Verbände – auch aus neu gegründeten Netzwerken der Anwaltschaft (AfA) und kritischer Staatsanwälte und Richter (KRiStA).

Sämtliche begründeten Einwendungen und Gegenvorschläge zu den staatlichen Corona-Maßnahmen wurden bekanntlich durch Politik und große Medien vielfach systematisch ausgeblendet und die betreffenden Vertreter zur Meidung einer sachlichen Debatte nicht selten medial verteufelt. Maßgebend für Politik und Gerichte waren nahezu ausschließlich die Einschätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI), des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), der Ständigen Impfkommission (STIKO) und eine kleine Auswahl von wissenschaftlichen Regierungsberatern.

Der Verfasser hat mit zwei frei zugänglichen Online-Aufsätzen aus März 2023 in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) eine erste chronologische faktenbasierte juristische Bewertung der Corona-Rechtssetzung und ihrer bisherigen gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte und des Bundesverfassungsgericht veröffentlicht. Nach dem Wegfall der epidemischen Lage nationaler Tragweite sowie den Corona-Maßnahmen steht eine umfassende Bestandsaufnahme und unparteiische wissenschaftliche Analyse aus, die von über 500 Vertretern aus Wissenschaft und Praxis unterschiedlicher Fachrichtungen eingefordert wird. Der dringend gebotenen umfassenden Aufarbeitung der Entscheidungswege von Gesetzgeber und Verwaltung in der Corona-Krise unter Einbeziehung bedeutsamer blinder Flecken im Sachverhaltsgerüst verweigern sich Politik, Justiz und die großen Medien bislang gleichermaßen. 

Ablehnung eines Untersuchungsausschusses 

Am 19.04.2023 wurde die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung der Corona-Politik wenig überraschend durch eine überwältigende Mehrheit von 577 der insgesamt 736 Bundestagsmitglieder der Fraktionen abgelehnt, die die massivsten flächendeckenden Freiheitseinschränkungen der Bundesrepublik Deutschland über drei Jahre mit verheerenden multiplen Folgeschäden verursacht haben. 

Hierzu gehört auch die Auseinandersetzung mit den negativen Folgen der Einführung von Impfstoffen mit experimentellem Charakter, die Außerkraftsetzung einer Vielzahl elementarer Vorschriften zur Arzneimittelsicherheit durch die „Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie“ (MedBVSV) im Mai 2020 ohne gleichzeitige Implementierung eines aktiven, systematisierten und interessenkollisionsfreien Impfschadensmonitoring. 

Wie erschreckend flach die Lernkurve und gering das Verantwortungsbewusstsein der betreffenden Bundestagsfraktionen für das Schadensausmaß ihrer fatalen Fehlentscheidungen in der Corona-Krise ausfällt, verdeutlichen die Äußerungen der betreffenden Mitglieder des Bundestages. So wird neben der kaum ernstzunehmenden Einräumung weniger Fehler unter Ausblendung wesentlicher Fakten durch einzelne Abgeordnete der verantwortlichen Fraktionen erklärt, 

  • es habe ein beispielloses, hervorragendes Zusammenspiel zwischen wissenschaftlicher Evidenz und politischem Handeln stattgefunden , 
  • die ganze Zeit über seien bei jeder Entscheidung die sozialen und wirtschaftlichen Folgen abgewogen worden und 
  • dass es erforderlich gewesen sei, alles zu tun um die Virusausbreitung zu verhindern. 

Die Realitätsferne dieser Schutzbehauptungen wird ohne Mühe erkennbar, greift man exemplarisch allein die epidemiologisch nutzlosen, jedoch für Kinder und Jugendliche in vielfacher Weise erkennbar massiv schädigenden Kita- und Schulschließungen auf, vor denen u.a. die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene, die Deutsche Akademie für Kinder und Jugendmedizin, die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, ein Autorenteam um Prof. Dr. med. Schrappe (Klinische Infektiologie) die Politik bereits seit März 2020 wiederholt und eindringlich gewarnt haben.

Die den negativen Folgen wie z. B. des social distancing, Masken- und Testpflicht, Einrichtungsschließungen und der beabsichtigten öffentlichen Angstverbreitung durch Schockwirkung schutzlos ausgelieferten Kinder und Jugendlichen befanden sich in den Jahren 2020 bis Ende 2022 erkennbar nie im Blickfeld der politisch ganz überwiegend virologisch geprägten Überlegungen. Die psychosoziale Schädigung dieser schutzwürdigen und gegenüber den Maßnahmen vulnerablen (nicht wahlberechtigten) Bevölkerungsgruppe wurde durch die Entscheidungsträger billigend in Kauf genommen. Die von Gesetzgeber und Verwaltung im Zuge der Corona-Krise durch vermeidbare systemische Fehler und Unterlassungen verursachten gigantischen gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Schäden haben isolierbare Ursachen. Diese lassen sich dauerhaft nicht hinter dem Schleier eines vermeintlichen „Erkenntnisvakuums“ verbergen, wie es die damalige SPD-Justizministerin Christine Lambrecht in ihrem Impulsvortrag vom 30.06.2021 („Entscheidung unter Unsicherheiten“) im Rahmen des nichtöffentlichen Kanzlerdinners der damaligen Bundesregierung mit sämtlichen Mitgliedern des 1. und 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidung zur Bundesnotbremse bezeichnete. 

Angesichts des erforderlichen Stimmanteils von mindestens einem Viertel der Bundestagsmitglieder für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und der dies blockierenden Mehrheit der Bundestagsfraktionen, deren Handeln Gegenstand einer solchen Untersuchung sein würden, konnte ein Vertreter der CDU-/CSU-Fraktion in seiner Rede im Bundestag unmittelbar vor der Abstimmung über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses lässig auf die dementsprechende Chancenlosigkeit des Einsetzungsantrags hinweisen. Deutlicher kann nicht demonstriert werden, dass ein Parlament seine politische Kontrollfunktion gegenüber der Regierung und Verwaltung nicht mehr erfüllt, sobald für einen erheblichen Anteil seiner Mitglieder eine Interessenkollision besteht. Dies gilt umso mehr, soweit im Falle detaillierter Aufbereitung von Zeitpunkten verfügbarer Erkenntnismöglichkeiten für eine rationale Bewertung der Risikolage und freiheitsschonenderer Maßnahmen angesichts der vorhersehbaren kausal schädigenden – jedoch vermeidbaren – Handlungen und Unterlassungen rechtliche Konsequenzen für die betreffenden Amtsträger nicht auszuschließen sind. 

Andererseits dürfen an einen Untersuchungsausschuss im Hinblick auf die Sachverhaltsermittlung auch nicht die Maßstäbe eines rechtsstaatlichen gerichtlichen Verfahrens angelegt werden. Denn strukturell ist der parlamentarische Untersuchungsausschuss nicht auf eine unparteiische Wahrheitsfindung ausgerichtet. Vor dem Hintergrund der Kontrollfunktion des Parlaments dient er lediglich der Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken . 

Aufarbeitung der Corona-Krise durch einen kritischen Journalismus 

Die Analyse einer politisch motivierten Verhüllung von Ursachen und Wirkungen einer dreijährigen Staatskrise durch verfassungswidrige Normen und deren Vollziehung sowie einer dies überwiegend ignorierenden Rechtsprechung ist traditionelle Aufgabe eines professionell und unabhängig arbeitenden investigativen Journalismus. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts aus besseren Tagen – Prof. Dr. Andreas Voßkuhle – erinnerte anlässlich des Otto-Brenner-Preises im Jahr 2016 noch daran, dass ein kritischer Journalismus – gerade im digitalen Zeitalter – ein bedeutender Verfassungsauftrag ist. Dem liegen die Ausführungen eines Bundesverfassungsgerichts aus seinem Spiegel-Urteil zugrunde, dessen zeitlose Ausführungen zu Bedeutung und Zweck der Pressefreiheit aus Artikel 5 gleich einem mahnenden Donnerschlag der deutschen Presselandschaft, dem Staat und seiner Bevölkerung in der Corona-Krise in den Ohren klingen müssen: 

Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende politische Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. Soll der Bürger politische Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung. In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung; die Argumente klären sich in Rede und Gegenrede, gewinnen deutliche Konturen und erleichtern so dem Bürger Urteil und Entscheidung. In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Sie fasst die in der Gesellschaft und ihren Gruppen unaufhörlich sich neu bildenden Meinungen und Forderungen kritisch zusammen, stellt sie zur Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden Staatsorgane heran, die auf diese Weise ihre Entscheidungen auch in Einzelfragen der Tagespolitik ständig am Maßstab der im Volk tatsächlich vertretenen Auffassungen messen können.

Die Erinnerung an die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der meisten Zeitungsverlage in der Corona-Krise – vor allem nach dem Start der Impfkampagne – stehen geradezu diametral zu diesem Verfassungsauftrag und dem Medienstaatsvertrag (MStV), nach dem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen haben.

Medien lieferten nur das halbe Bild

So lehnten der WDR und die ARD Ende des Jahres 2020 die im Zuge einer Petition von ca. 63.000 Menschen geforderte Sondersendung mit einem offenen sachlichen Austausch zwischen den Regierungsberatern und kritischen Wissenschaftlern mit der öffentlichen Begründung ab, man sei „eng in den Fakten, aber breit in den Meinungen und Perspektiven“. Im Rahmen eines zuvor mit den Petitionsunterstützern geführten protokollierten Hintergrundgesprächs wurde zur Ablehnung der Sondersendung u. a. angeführt, dass es nicht jedem einzelnen Bürger überlassen werden könne, sich eine Meinung zu bilden, welcher Wissenschaftler recht hat, weil das Publikum damit überfordert sei. Die betreffenden Programmverantwortlichen schnitten der Bevölkerung damit faktisch ihr Recht auf eine selbstbestimmte Urteilsbildung ab, indem eine Zugangsbeschränkung für Informationen und für Wissenschaftler geschaffen wurde, die eine öffentliche faktenbasierte Debatte auf fachlicher Augenhöhe mit den eingesetzten Regierungsberatern über maßgebliche Fragen und alternative Strategien in der Corona-Krise hätten führen können.

Im Lichte all dessen bricht eine tragende Säule der Begründung des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 18.07.2018 zur Verfassungsmäßigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkbeitrags in sich zusammen, dessen Legitimation sich maßgeblich auf die Vermeidung einer einseitigen Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung durch die Vielfalt der verfügbaren Informationen, Erfahrungen und Werthaltungen stützt.  

Indes mutierten gut informierte Wähler in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 19.01.2021 zu einer „Gefahr für die Demokratie“ oder aus Sicht der FAZ am 12.01.2022 zu „Wucherungen der Rationalität“ , wenn diese es wagten, sachliche Kritik an den staatlichen Corona-Maßnahmen öffentlich zu äußern. Ein Mitglied des Ethikrates hielt im Dezember 2020 eine Eigenverpflichtung von ungeimpften Menschen für angemessen, im Falle einer Covid-19-Erkrankung auf eine Intensivbehandlung zu verzichten. In der Zeit-Onlineausgabe vom 19.11.2021 wurde „ein richtig scharf und tief eingeschlagener Keil“ gefordert, der die Gesellschaft zwischen geimpften und ungeimpften Menschen trennt.  

In einer ZDF-Satiresendung im Dezember 2021 wurden Corona-Maßnahmenkritiker mit einem „Blinddarm“ in Beziehung gesetzt, der für das „Überleben des Gesamtkomplexes nicht essentiell“ sei. In einer ZDF-Satireshow wurden im Januar 2022 Kinder als „Wirtstiere“ für das Coronavirus bzw. mit „Ratten zur Zeit der Pest“ verglichen. Dies sind unverkennbar die ersten Schritte zur sprachlichen Entmenschlichung von Minderheiten. Dies wurde zudem durch zahlreiche öffentliche Erklärungen von hochrangigen Volksvertretern flankiert, die das notwendige Mindestmaß an Achtung vor Menschen vermissen ließen, die ihre Zustimmung zu einer Impfung gegen Covid-19 nicht erteilten und Kritik an den staatlichen Corona-Maßnahmen übten.  

Aufklärung über Impfstoffe

Inhalt des aus Artikel 5 folgenden Verfassungsauftrags der Presse ist allerdings nicht die Verbreitung von Emotion (Angst und Panik), sondern von umfassender sachlicher Information. Dies galt auch – und zwar von Dezember 2020 an – für eine sachlich-kritische Aufbereitung und Berichterstattung zu den Vor- und Nachteilen der außergewöhnlich verkürzten Entwicklung der Covid-19 Impfstoffe, weitreichenden Außerkraftsetzung arzneimittelrechtlicher Sicherheitsvorschriften im Mai 2020 sowie Qualitätsstandards und Inhalt der Lieferverträge für Impfstoffe mit experimentellem Charakter. Hierzu gehört auch die Klärung, ob und in welchem Umfang welche Medienhäuser, in welchem Zeitraum in welcher Höhe Umsätze aus den Werbekampagnen der Bundesregierung für die neuartigen Covid-Impfstoffe generiert haben. Hierbei handelt es sich allein für den Zeitraum Dezember 2020 bis zum 31.12.2021 um Ausgaben des Bundes von ca. 286 Millionen Euro für Inserate in regionalen und überregionalen Printmedien, TV- und Radiospots.  

Zieht man weiter heran, dass spätestens seit Juli 2021 öffentlich bekannt ist, dass das Bundeskanzleramt jeweils am Vortag der Entscheidungen der Bund-Länder-Konferenzen über Corona-Maßnahmen nur einem ausgewählten Journalistenkreis die Sicht des Kanzleramts erläuterte, die äußeren Umstände dieser Gespräche (Teilnehmerkreis, Thema, Ort, Zeit) und die Gesprächsinhalte durch das Bundeskanzleramt allerdings nicht dokumentiert wurden, ist aufzuklären, ob und in welchem Ausmaß diese Einflüsse den verfassungsrechtlichen Informationsauftrag der Presse infiziert haben.

Insoweit verwundert es nicht, dass die meisten Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten kein Interesse an einer Reflektion ihrer in vielerlei Hinsicht kritikwürdigen Corona-Berichterstattung zeigen, dies jedoch angesichts des Einflusses auf die öffentliche Meinungsbildung – einschließlich der Justiz – ein zentrales Feld der Aufarbeitung darstellt. Hierzu kann auf die systematisierte Fallsammlung eines Medienjournalisten zu den gravierenden Qualitätsmängeln der Corona-Berichterstattung in Deutschland und den entlarvenden Artikel des Bayerischen Rundfunks vom 13.09.2021 zu den manipulativen Bildern von Militärtransporten von Bergamo im April 2020 und die in diesem Zusammenhang fehlerhaft eingespielten Bilder von Sargreihen ertrunkener Bootsflüchtlinge in Lampedusa aus dem Jahre 2013 verwiesen werden.

Der durch das Bundesverfassungsgericht klar und deutlich beschriebene Verfassungsauftrag ist auch nicht mit Eintritt einer Staatskrise in einer Gefahrenlage ausgesetzt, sondern er besteht unvermindert fort. Denn nicht nur die Bevölkerung im Allgemeinen, sondern v. a. Richterschaft und Staatsanwaltschaften im Besonderen müssen zeitnah ein vollständiges sachliches Bild der Informationslage für ihren Erkenntnisgewinn erhalten. Der verfassungsrechtliche Auftrag zur Aufarbeitung der Corona-Krise kann nicht mit der Veröffentlichung von vereinzelten Artikeln zu Teilthemen erfüllt werden. Vielmehr ist es erforderlich, den Verlauf der politischen „Entscheidungen unter Unsicherheiten“ von Gesetzgeber und Verwaltung der Jahre 2020 bis 2023 u. a. durch sorgfältige chronologische Auswertung der Gesetzesbegründungen zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, der Plenarprotokolle, der protokollierten Anhörungen von Einzelsachverständigen im Deutschen Bundestag und im Gesundheitsausschuss, etwaige Videoaufzeichnungen und Protokolle der Ministerkonferenzrunden, Stellungnahmen der Leopoldina auszuwerten und im Vergleich dazu, Inhalt und Zeitpunkte beachtlicher wissenschaftlicher Gegenstimmen sowie verfügbarer Erkenntnisquellen gegenüberzustellen.

Die Corona-Rechtsprechung 

Inzwischen finden immer mehr bedeutsame Informationen und Erkenntnisse – die teilweise bereits seit Anfang 2020 und im weiteren Verlauf verfügbar waren – Zugang in die Medien, die für eine differenzierte rationale epidemiologische Beurteilung der Gefahrenlage durch COVID-19, die Vorsehbarkeit der beträchtlichen Schäden und Folgeschäden ergriffener sowie unterlassener staatlicher Corona-Maßnahmen herangezogen werden konnten. 

Gleichwohl wagen die mit der Überprüfung von Corona-Maßnahmen befassten Verwaltungsgerichte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten eines exzessiven Prognose- und Entscheidungsspielraums des Staates noch immer keinen Blick auf eine Vielzahl erheblicher Fakten – abseits des RKI, des PEI und der STIKO – und die Zeitpunkte ihrer Verfügbarkeit, auf Grundlage derer evidenzbasierte Daten erhoben, verarbeitet und für die Bevölkerung wesentlich mildere Corona-Maßnahmen hätten ergriffen werden können. Die richterliche Sachverhaltsermittlung endet hierbei jedoch nicht vor den Toren staatlicher Behörden, wie dem RKI oder PEI, sondern sie nimmt dort mit eigenständigen Überlegungen zur Plausibilität und Belastbarkeit amtlicher Auskünfte erst ihren Anfang.

Bei greifbaren Anhaltspunkten für fachliche Mängel bzw. deren Unverwertbarkeit muss schlicht nach den einschlägigen prozessualen Vorschriften eine andere gutachterliche Expertise eingeholt werden. An dieser neuralgischen Stelle vernebelten vor allem die Autoritätsgläubigkeit gegenüber behördlichen Informationen, die mediale Corona-Berichterstattung und die Angst vor einer tödlichen Virusinfektion den richterlichen Blick auf die Tatsachenbehauptungen, Zahlenwerke und Annahmen des Staates als Partei des Rechtsstreits. Daran scheiterte zumeist die verfassungsrechtliche Überprüfung von Corona-Maßnahmen durch die Gerichte in systematischer Weise.

Vertrauliches Dinner im Kanzleramt, aber keine öffentliche Debatte

Während dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Juni 2021 – ungeachtet der gesetzlichen Vorschriften zur Unparteilichkeit des Gerichts – ein vertrauliches Kanzlerdinner mit der Bundesregierung und eine Ergänzung um den Tagesordnungspunkt „Entscheidung unter Unsicherheiten“ hinter verschlossenen Türen im Vorfeld der Entscheidung der Bundesnotbremse notwendig und angemessen erschien, verhält es sich mit einer öffentlichen Debatte zur Corona-Rechtsprechung mit kritischen Vertretern der Anwaltschaft als Organen der Rechtspflege oder des juristischen Wissenschaftsbetriebs bis heute freilich anders. So gelang es Prof. Dr. Harbarth als Vorsitzendem des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts(ehemaliges Mitglied der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag) bereits im Oktober 2020 das Funktionieren des Rechtsstaats in der Corona-Krise festzustellen. Ebenso vermochten im Rahmen öffentlicher Äußerungen weder Prof. Dr. Radtke (Richter am 1. Senat des BVerfG) im April 2023 noch Peter Müller (Richter am 2. Senat des BVerfG und früherer saarländische CDU-Ministerpräsident) im Juni 2023 tiefgreifenden Fehler der Corona-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszumachen.  

Anders als bei der Entscheidung des BVerfG vom 15.02.2006 zur Nichtigkeit des § 14 III Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) als Ermächtigungsgrundlage für einen Abschuss eines von Terrorristen gekaperten Verkehrsflugzeugs mit Flugzeuginsassen ist der heutige 1. Senat des BVerfG im Rahmen des Infektionsschutzes – wie die vorbenannten Entscheidungen zur Bundesnotbremse und sektoralen Nachweispflicht zeigen – einer gefährlichen Sicherheitsillusion erlegen, dem die meisten Gerichte bislang noch unreflektiert folgen. So berichten anwaltliche Prozessvertreter, dass noch im April 2023 einige Kammern von Verwaltungsgerichten mit FF2-Masken über Tätigkeitsverbote im Gesundheitssektor verhandeln und ihrer vorgefassten Rechtsauffassung zudem nachdrücklich durch einleitende Ausführungen zur allgemeinen Lebensgefahr von Covid-19 Ausdruck verleihen. Ohne eine – in der Sache hart und im Ton respektvoll – mit der Richterschaft sachlich geführten Debatte zur Corona-Rechtsprechung (auch außerhalb des Gerichtssaals) besteht keine Gewähr dafür, dass die solcherart konditionierten Gerichte im Falle einer erneut staatlich dargelegten diffusen Gefährdungslage die Bevölkerung dieses Landes rechtzeitig vor überwiegend evidenz- und maßlosen staatlichen Grundrechtseingriffen mit multiplen Folgeschäden schützen werden.  

Das Wissen um die Nebenwirkungen

Ferner darf nicht in Vergessenheit geraten, dass trotz der seit mindestens dem Jahre 2017 dem PEI und somit dem Bundesgesundheitsministerium sowie der Politik bekannten Unzulänglichkeiten des passiven Meldesystems für Impfnebenwirkungen und einer geschätzten Dunkelziffer von mindestens ca. 90% für schwere Nebenwirkungen von Arzneimitteln, des beträchtlichen Nebenwirkungsprofils und des großen Spektrums der Unwissenheit über sicherheitsrelevante Aspekte der seinerzeit bedingt zugelassenen mRNA-Impfstoffe, fast alle Bundestagsfraktionen am 07.04.2022 dennoch beabsichtigten, ein Gesetz zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen Covid-19 zu verabschieden. Noch alarmierender ist, dass die politischen Akteure unter Verletzung des Kernbereichs des Grundrechts auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung des Einzelnen offenbar bereit waren, wie der Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 03.12.2021 zeigt, von den zuvor ausgeloteten Möglichkeiten einer zwangsweisen Durchsetzung einer allgemeinen Impfpflicht auch im Wege der Verwaltungsvollstreckung Gebrauch zu machen. Hierbei wurden u. a. die mehrfache Verhängung von Zwangsgeldern von bis zu 25.000,00 € und die Ausübung des unmittelbaren Zwangs gegenüber Ungeimpften in Betracht gezogen, der nach Maßgabe der Regelungen zur Verwaltungsvollstreckung als letztes Mittel auch die Einwirkung auf Personen durch Gewalt, Hilfsmittel oder Waffen sowie Ersatzzwangshaft einschließt. Kurz darauf forderten in der Vorweihnachtszeit im Dezember 2021 der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer zur Überwindung der freien Impfentscheidung Bußgelder und Beugehaft , Renten- und Pensionskürzungen sowie Zutrittsverbote zum Arbeitsplatz und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Saskia Weißhaupt Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz gegen Teilnehmer von Corona-Demonstrationen.  

Derzeit sind im Hinblick auf die Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe noch in erster Linie die Zivilgerichte im Rahmen von Schadensersatzklagen von Impfgeschädigten gegen die Impfstoffhersteller mit der Sachverhaltsaufklärung betraut. Die nächste Stufe dieser Verfahren wird erreicht, sobald u. a. Vertretern staatlicher Behörden wegen der in Betracht kommenden schadensmitursächlichen Amtspflichtverletzungen zur Vermeidung der Verjährung von Regressansprüchen der Streit verkündet werden wird. Letztlich muss das Handeln der verantwortlichen Personen dort rechtlich überprüft werden, wo es strukturell zutreffend verortet ist, im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme, die nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt wird. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, wann welche relevanten Informationen über Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe welchen Amtsträgern und Experten bekannt waren und wann diese auf welche Weise veröffentlich wurden.

So ist symptomatisch für das Regierungshandeln während und nach der Corona-Krise, dass es erst einer Klage eines Arztes gegenüber dem Bundeskanzleramt bedurfte, um im Juni 2023 die Herausgabe der Protokolle des Corona-Expertenrats (25 von 33 Protokollen, teilweise geschwärzt) zu erhalten, die u. a. zeigen, dass nicht nur ein erhöhtes Risiko einer impfbedingten Herzmuskelentzündung bei jungen Menschen besteht, sondern dadurch entstehende langfristige gesundheitliche Schädigungen mit zeitlichem Abstand zur Erkrankung.  

Ebenso relevant ist, wie sich aus einer dänischen Studie vom 30.03.2023 zeigt, die unabhängige Überprüfung, aus welchen Gründen bestimmte Chargen des Impfstoffes von Biontech/Pfizer den größten Anteil der gemeldeten Verdachtsfälle für schwere und tödliche Nebenwirkungen ausmachen und sich Anhaltspunkte hierfür bereits Ende 2021/Anfang 2022 aus einer amerikanischen Webseite verdichteten. Ob diese Umstände auch auf Deutschland zutreffen und die dem PEI nach §§ 32 I, 77 II Arzneimittelgesetz (AMG) obliegende Chargenkontrolle zur Überwachung der Impfstoffsicherheit in Ansehung der Neuartigkeit der Impfstoffe gegen Covid-19 ausreichend war, wird ebenfalls zu überprüfen sein.

Welche juristische Arbeit noch aussteht

Eine ergebnisoffene juristische Aufarbeitung der Corona-Krise erfordert aus einer realitätsnahen ex-ante Sicht einen sorgfältigen chronologischen Soll- Ist-Vergleich des staatlichen Krisenmanagements, darauf

  • zu welchen Zeitpunkten den jeweiligen politischen Entscheidungsträgern auf Bundes- und Landesebene sowie zuständigen Behörden (RKI, PEI etc.) welche Erkenntnisse in welcher Güte vorlagen

  • mit welcher evidenzbasierten Methodik und Mitteln die fehlenden erforderlichen Daten und Erkenntnisse gewonnen werden sollten und

  • welche staatlichen Maßnahmen wann aus welchen Wissensständen welcher Güte abgeleitet wurden (tatsächlich ergriffene Maßnahmen) sowie

  • ob die staatliche Ist-Vorgehensweise gemessen an den vom BVerfG lange vor dem Jahre 2020 definierten Soll-Mindestanforderungen an ein „gutes Gesetz“ für Tatsachenfeststellungen für prognostische Einschätzungen genügt hat und sich der Gesetzgeber dem ihm im Einzelfall zuzubilligenden Einschätzungs- und Prognosespielraum gehalten hat und 

  • ob und wann aus der ex-ante Sicht für die handelnden Personen welche wissenschaftlichen Erkenntnisse verfügbar waren und welche objektiv möglichen, jedoch effizienteren und weniger schädigenden Maßnahmen hätten ergriffen werden können (Kontrollebene). 

Wendet man diese juristische Methodik konsequent an, bilden die daraus gewonnenen Ergebnisse auch die Grundlage für die notwendige Klärung etwaiger zivil- und strafrechtlicher Verantwortlichkeiten der Entscheidungsträger in Politik und Behörden sowie der Erkenntnis, dass Gesetzgeber und Verwaltung – gerade in einer Krise – ein verfassungsrechtliches Pflichtenheft zu erfüllen haben. Letzteres wird bei realistischer Betrachtung nur dann in der Politik nachhaltige Beachtung finden, wenn grob pflichtwidrige und vermeidbare Fehlentscheidungen, die zu beträchtlichen Schäden für die Bevölkerung führen, für die handelnden Personen auch spürbare rechtliche Konsequenzen haben. Die Einheit von Entscheidung und Haftung am Maßstab eines sorgfältig und gewissenhaft handelnden Verantwortungsträgers gegenüber seinem Unternehmen ist ein etablierter Bestandteil des Wirtschaftslebens zur Prävention und Kompensation von verantwortungslosen Entscheidungen, deren gesetzlich normierte Übertragung auf politische Entscheidungen ein zentrales Element für ein notwendiges rechtspolitisches Reformpakt für die parlamentarische Demokratie in Deutschland bildet. 

Warum wir eine Aufarbeitung benötigen

Die Corona-Krise hat eindrucksvoll vor Augen geführt, dass es auch in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat allein der übermäßigen Ausübung staatlicher Autorität und einer weitgehend unkritischen sowie schweigenden Mehrheit der Bevölkerung bedarf, um eine Minderheit in kurzer Zeit schrittweise herabzuwürdigen und immer weiter aus dem gesellschaftlichen Leben zu verbannen. Eine sachliche Aufarbeitung der Corona-Krise in allen gesellschaftlichen Lebensbereichen, vor allem in der Ärzteschaft, in der Justiz, in den Schulen , in den Universitäten und Kirchen ist unausweichlich, um den inneren Kompass wiederzugewinnen, der darauf hinweist, dass der Zweck nicht jedes Mittel rechtfertigt.

Die vielfältigen furchtbaren Beispiele der Geschichte für Menschenrechtsverletzungen lehren, dass es einer solcherart verinnerlichten Erinnerungskultur einer Gesellschaft bedarf, die die unterschiedlichen Werkzeuge aus dem Baukasten des Unrechts wiedererkennt, sich aus dem gepolsterten bürgerlichen Sessel erhebt und – in Abgrenzung zu Gratismut Jahrzehnte später – die notwendige Zivilcourage in Beruf sowie Privatleben dadurch zeigt, dass sie sich unverzüglich mit den Mitteln der demokratischen Rechtsordnung öffentlich widersetzt. Denn Freiheit, Demokratie und Menschenwürde sind unverzichtbare Güter in einer lebenswerten Gesellschaft, deren Preis fortwährend durch Wachsamkeit und Aufrechterhaltung der sie schützenden verfassungsrechtlichen Prinzipien zu zahlen ist. Die entschlossene journalistische und juristische Aufarbeitung des Handelns aller drei Staatsgewalten und der Medien in der Corona-Krise ist ein dringlicher Auftrag von Verfassungsrang.  

Eine solche Analyse eröffnet den Blick auf eine Vielzahl notwendiger und überfälliger rechtspolitischer Reformen, wie z. B. die Festigung der Gewaltenteilung, die Professionalität, Neutralität und Breite von wissenschaftlicher Politikberatung, ein Einflussnahmeverbot der Politik auf die öffentliche Meinungsbildung durch die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten, ein gesetzliches Pflichtenheft mit Mindestqualitätsanforderungen für die politische Entscheidungsfindung und spürbare Rechtsfolgen für die Verantwortungsträger bei groben Verstößen. Die vielfältigen Vorteile eines solchen Reformpakets für Staat und Gesellschaft können nachhaltige positive Effekte weit über die Corona-Krise hinaus entfalten.

Der Text umfasst einen gekürzten und in Teilen redigierten Auszug. Den vollständigen Text als PDF mit sämtlichen Fußnoten, Gesetzestexten und Links finden Sie hier.

Quelle: Cicero

Bild: Radio Qfm
 

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