In der jüngsten Folge des „ZDF Magazin Royale“ konnte man Jan Böhmermann beim Dieter-Nuhr-Gucken zugucken.
Und was der Zuschauer zu sehen bekam, das waren Böhmermann-Witze und Böhmermann-Vorurteile. Eine Satiresendung als telemedialer Rorschachtest.
Am Anfang gleich mal eine Trigger-Warnung: Das, was ZDF-Late-Night-Talker und Grimme-Mehrfachpreisträger Jan Böhmermann am vergangenen Freitag mit „Nuhr im Zweiten“, produziert vom Böhmermanns eigenem Satireformat „Magazin Royale“, vorgelegt hat, das war Appropriation vom Feinsten.
Das nur vorweg, für den Fall, dass hier die antrainierten Böhmermann-Verächter, diese ernteüberreifen Old Boys aus Bitterfeld und Bautzen, einfach ein paar eingespielte Disstracks im medialen Rechts-Links-Battle erwarten. Denn wirklich: Besser als mit dieser Persiflage auf den öffentlich-rechtlichen Konkurrenz-Clown aus der ARD, sind tiefsitzende gesellschaftliche Vorurteile und hartnäckige Klischees nicht zu entlarven. Eine Parodie als Punchline. Echt formidabel!
Kann diese Diss-Attacke gut gehen?
Ich wollte es ja zunächst selbst nicht glauben. Denn kann man wirklich gut finden, was im altbackenen linearen Fernsehen zu später Stunde über den Äther geht und was bereits von taz bis Berliner Kurier als grandiose Satire abgefeiert wurde? Sie haben es sicherlich mitbekommen: Jan Böhmermann hat auf dem Sendeplatz seines „Magazin Royale“ eine Parodie auf das Konkurrenzprodukt von Dieter Nuhr gebracht, dem „kabarettistischen Sturmgeschütz all jener, die das Gendern verachten“, wie eine engagierte Nachwuchskraft des Redaktionsnetzwerk Deutschlands den Opponenten mit der typisch braunen Lederjacke und den gespielt lässig aus dem Hosenbund heraushängenden T-Shirts jüngst beschrieb.
Böhmi, der Woke mit seinem „aufklärerischem ZDF Magazin Royale“ (RND) gegen Nuhr, den „stolzen alten weißen Mann“. Kann diese Diss-Attacke gut gehen? Vier Tage lang bin ich um die Mediathek herumgeschlichen. Dann habe auch ich zugeschlagen. Und wie gesagt: Brutal genial!
„Den Menschen den Spiegel vorhalten“
Böhmermann nämlich hat geschafft, was sein Nuhr-Imitator Sebastian Rüger zunächst nur in Worte fassen konnte, wenn er gleich zu Beginn von „Nuhr im Zweiten“ definierte, was seiner Meinung nach die vornehmste Aufgabe von Satire sei: „den Menschen den Spiegel vorzuhalten“. Welch wahre Worte! Und was sieht da der narzisstisch selbstverliebte Narr in seinem kleinen Narrenspiegel – dieser Naserümpfer, der bei allem moralischen Höhenflug natürlich selbst auch immer Mensch geblieben ist? Sich selbst natürlich sieht er, und nur sich selbst, geschlagen von Blindheit und Verblendung.
Denn diese Nummern-Revue aus dem Kölner Studio Ehrenfeld ist ein genial verschachteltes Bild im Bild – ein Fernsehbild im Fernsehbild, ein Bild vom Feind im Bild vom Feind.
Haben Sie bei derart vielen Bildern noch den Überblick behalten? Nein? Kein Problem, Jan Böhmermann hat ihn auch längst verloren. Denn man muss sein „Nuhr im Zweiten“, dieses mediale Origami, schon feinsäuberlich auseinanderfalten, um wieder zu erkennen, wer hier gerade wen auf den Arm nimmt – was bei einem wie Böhmermann natürlich zunächst und vor allem heißt: wer wem gerade Rassismus, Antisemitismus oder sonstige Sauereien aus dem ideologischen Fundus der Menschenverachtung vorwirft.
Doch Obacht! Man tappe da jetzt nicht in die naheliegende Appropriationsfalle: Denn das, was da am vergangenen Freitag um 23 Uhr mit reichlich synthetischen Lachern und mit Comedian-Darstellern als Comedians im Mainzelmännchen-Funk lief, war, wie wir ja jetzt alle wissen, nicht Dieter Nuhr. Es war nur das, was Jan Böhmermann für Dieter Nuhr hält. Mit einem Satz: Er war’s nuhr. Ein Bild vom Bild von Dieter Nuhr.
Ein verschlagener Alfred Hitchcock
In gewisser Weise konnten wir also Jan Böhmermann beim Dieter-Nuhr-Gucken zugucken. Nicht von ungefähr gab es in dieser eigentümlichen Satiresendung immer wieder auch Einstellungen, in denen sich Böhmermann selbst wie ein verschlagener Alfred Hitchcock unter das meistenteils grauhaarige Publikum mischte. Und was er da zu sehen bekam, das waren eben Böhmermann-Witze und Böhmermann-Vorurteile. Ein Böhmermann Blick auf Böhmermanns Welt: Kurz: „Nuhr im Zweiten“, das war ein telemedialer Rorschachtest, bei dem das Publikum am Ende mehr über den frisch gebackenen Grimme-Preisträger erfahren hat, als über Nuhr und dessen regelmäßige Mittstreiter Lisa Eckhart, Luke Mockridge oder Abdelkarim.
Letzterer übrigens, in Böhmermanns Persiflage ein türkischer Komiker namens Özturk Özcan, illustriert die Verschachtelungskunst des ZDF-Fernsehzynikers perfekt: Böhmermanns Özcan nämlich ist eine Figur, die mit platten Türkenwitzen und abgeschmackten Klischees um die Gunst eines meistenteils alten und weißen Publikums buhlt. Als wollte der ZDF-Entertainer mit diesem Özcan sagen: Was gute migrantische Witze sind, bestimme immer noch ich. Eine Persiflage wie in einer alten amerikanischen Minstrel Show – nur noch kniffiger und noch perfider.
Und doch: In einem muss man Böhmermann ja Recht geben. Der Humor des echten Dieter Nuhr ist meistens tatsächlich etwas lahm und ziemlich dröge. Doch wenn man am vergangenen Freitag mal wieder nicht gelacht hat, dann hatte das ausnahmsweise mal nichts mit Dieter Nuhr zu tun. Es war Böhmermann selbst, dessen Witze wie eh und je platt, rassistisch und voller Vorurteile waren. Das aber kann der 42-jährige ZDF-Satiriker mittlerweile derart verschachtelt, dass es fast schon genial ist. Wer kann das schon sonst: die Punchline in die eigene Fresse?
Quelle: Ciciero.de
Bilder
The post Böhmermanns „Nuhr im Zweiten“ – Eine Punchline in die eigene Fresse… first appeared on Radio Qfm.