Ein paar Tage nach der größten Razzia in der Geschichte Deutschlands mehren sich die Hinweise, dass die Ermittler offenbar nicht das erwartete Waffenarsenal gefunden haben.
Der Generalbundesanwalt hat noch keine Erklärung abgegeben.
Die Großrazzia schlägt weiterhin hohe Wellen, insbesondere nachdem am Mittwoch mehr als 3.000 Polizeibeamte mehr als 150 Objekte in ganz Deutschland durchsucht haben.
Mindestens 27 Personen wurden festgenommen, gegen weitere 25 wird ermittelt. Sie sollen einen groß angelegten bewaffneten Umsturz geplant haben.
Doch was haben die Ermittler bei diesem beispiellosen Großeinsatz eigentlich gefunden?
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes wurden an 50 der 150 durchsuchten Orte Waffen gefunden. Das klingt nach einem Einsatz mit hohem Risikopotenzial, sagt aber wenig aus.
In der Vergangenheit wurden bei vergleichbaren Großeinsätzen auch Baseballschläger, Schweizer Armeemesser und Schlagringe als “Waffen” betrachtet.
Es ist noch nicht klar, ob die Behörden Maschinengewehre, Granaten oder echte Schusswaffen gefunden haben. Vermutlich braucht es mehr als eine Handvoll Küchenmesser, um einen sogenannten geplanten Militärputsch zu starten.
Generalbundesanwalt ist ungewöhnlich unempfänglich
Die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit hat deshalb einen umfangreichen Fragenkatalog an den Generalbundesanwalt geschickt, welche Gegenstände beschlagnahmt wurden, wie viele Schusswaffen darunter waren und welche davon illegal waren. Angesichts des Ausmaßes der Razzia und der Bedeutung, die das Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) ihr beimisst, kann ausgeschlossen werden, dass die Behörden dies nicht bereits wissen.
Die Bundesanwaltschaft weigert sich jedoch, auf die JF-Anfrage zu antworten:
Ein Sprecher bittet “um Verständnis, dass wir uns derzeit nicht zu den bei den – noch nicht abgeschlossenen – Durchsuchungsmaßnahmen gefundenen Beweismitteln äußern”.
Es ist offenbar völlig unklar, warum in diesem Zusammenhang Fragen gestellt werden und wann die Öffentlichkeit informiert wird. Zur Erinnerung: Faeser sprach von einer “abgrundtiefen terroristischen Bedrohung” durch die rechte Szene.
Das sind starke Worte in einem Land, in dem die RAF in den 1970er Jahren durch Deutschland fegte und in dem 2016 ein Islamist mit einem Lastwagen zwölf Menschen tötete und Dutzende weitere verletzte, als er auf einem Berliner Weihnachtsmarkt in Passanten fuhr.
Es wäre in Faesers Interesse, ihre merkwürdigen Äußerungen baldmöglichst mit Fakten zu untermauern.
Dienstwaffen gefunden
Laut “Welt” wurden bisher “eine Schusswaffe”, Elektroschocker, Prepper-Zubehör und Tausende von Euro in bar gefunden.
Das klingt nach einer eher mageren Ausbeute, zumal “Tausende von Euro” verteilt auf 150 durchsuchte Häuser sicher kein Hinweis auf die Bildung einer terroristischen Vereinigung sind.
Bemerkenswert ist, dass das Innenministerium angesichts der Gefahr von Stromausfällen selbst dazu aufgerufen hat, Bargeld stets zu Hause aufzubewahren.
Das Gleiche gilt für die angeblichen “Vorräte”.
Die Regierung hat den Bürgern empfohlen, sich wegen der Risiken, die mit der deutschen Unterstützung des Krieges in der Ukraine verbunden sind, umfassend auf Notfälle vorzubereiten.
Es ist also nicht klar, wo die Krisenprävention aufhört und das angebliche “Prepping” beginnt. Da einige der Verdächtigen im Besitz von Waffenbesitzkarten sein sollen, überrascht der Fund von Elektroschockern nicht im Geringsten. Zur Erinnerung: Mit letzteren kann kein Parlament gestürmt werden.
Die Vertreter des Innenausschusses im Bundestag sollen am Freitag etwas ausführlicher informiert worden sein. Medienberichten zufolge wurden zwei Gewehre, eine Pistole sowie Schwerter, Elektroschocker und Leuchtpistolen beschlagnahmt. Auch Dienstwaffen von beschuldigten Polizeibeamten wurden sichergestellt. Es ist noch nicht bekannt, ob es für die verschiedenen Waffen Waffen Genehmigungen gab.
Immer mehr Medien äußern Zweifel
Unterdessen wachsen in den Medien die Zweifel, ob die historische Razzia wirklich angemessen war. Der Chefredakteur von Cicero, Alexander Marguier, schrieb am Mittwoch: “Ich habe heute mit einer Reihe von Kollegen anderer Medien gesprochen – auch mit jenen Medien, die an der Spitze der überschwänglichen Berichterstattung über den verräterischen Plan standen. Unisono (und natürlich nur im Vertrauen) wurde gesagt: Uns kommt das alles völlig übertrieben vor, aber wenn die Konkurrenz so dramatisch reagiert, können wir nicht lauwarm sein.”
Die Reporterin Anna Schneider sprach auf Twitter von einer “äußerst merkwürdigen Hysterie und Inszenierung dieses Spektakels”.
Der ehemalige Leiter des Parlamentsbüros der Bild-Zeitung, Ralf Schuler, schrieb in dem sozialen Netzwerk, er könne nur hoffen, dass die Verantwortlichen für die “Riesenrazzia” auch Beweise für den angeblichen Putschversuch liefern würden.
Dass zahlreiche Medien offenbar seit längerem über die Razzien informiert waren, kann als erwiesen gelten, da sie zeitgleich mit den Einsatzkräften der Polizei mit Kamerateams vor Ort waren
‘Organisierte Medienunterstützung’
Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) kommentierte:
“Der historische Grosseinsatz und die begleitende Medienberichterstattung werfen Fragen auf.”
Der Autor merkte an:
“Im politischen Berlin ist seit Tagen zu hören, es sei ‘ein grosses Ding im Busch’. Offensichtlich wussten einige Medien von den bevorstehenden Razzien und Verhaftungen, denn viele Redaktionen veröffentlichten fast zeitgleich – wie nach einem Embargo – ausführliche Berichte über die eigentlich ganz neuen Nachrichten.”
Sie hält die “organisierte mediale Unterstützung der Aktionen” für grundsätzlich problematisch.
“Das deutet darauf hin, dass die Sache doch nicht so gefährlich war. Im letzteren Fall könnte der Eindruck entstehen, dass es sich in erster Linie – oder auch – um eine politische Öffentlichkeitsarbeit handelt.”
Eine ‘Show’
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Martina Renner, kritisierte das Vorgehen des Innenministeriums bei der Razzia mit 3000 Polizisten.
Die sogenannte “Anti-Terror-Operation” gegen 25 Verdächtige rund um den 71-jährigen, in Frankfurt am Main lebenden Heinrich XIII. Prinz Reuss dürfe keine “Show” sein, sagte die Politikerin, die seit 2013 im Bundestag sitzt.
Bilder: Deutschlands grösster Anti Terror Einsatz marloes-hilckmann-unsplash
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