Am 4. April geschah das, womit wohl niemand gerechnet hätte, der sich mit Finanzthemen beschäftigt – Russland konnte eine ausstehende Dollar-Anleihe nicht bedienen.
Lässt der russische Staat die nun nach internationalen Regeln geltenden 30 Tage Gnadenfrist verstreichen, gilt er technisch und rechtlich als bankrott. Doch dieser Staatsbankrott unterscheidet sich in so ziemlich allen Punkten von vorherigen Staatspleiten. Russland könnte zwar mühelos zahlen, die Sanktionen verhindern dies jedoch. Gleiches gilt für die Anleihen russischer Unternehmen. Es droht eine unschöne Pleitewelle und ein juristischer Krieg, der vor den Gerichten in Großbritannien ausgetragen wird. Wahrscheinlich ist das vom Westen genau so gewollt und läuft auf eine Enteignung der russischen Auslandsvermögen hinaus. Von Jens Berger.
Verglichen mit anderen großen Volkswirtschaften sind die Auslandsschulden Russlands gering.
Laut dem Finanznachrichtendienst Bloomberg hat der russische Staat zurzeit Anleihen im Wert von rund 40 Milliarden US-Dollar bei ausländischen Gläubigern offen.
Nimmt man die Anleihen russischer Unternehmen, die oft Staatsunternehmen sind, hinzu, kommt man auf rund 105 Milliarden US-Dollar.
Um dies einmal ins Verhältnis zu setzen:
Durch die Gas- und Ölexporte nimmt der russische Staat jeden Tag rund eine Milliarde US-Dollar ein. Die Gesamtauslandsschulden des Staates inkl. der großen Staatsunternehmen entsprechen also den Deviseneinnahmen von drei Monaten.
Selbst ohne Zugriff auf die Devisenreserven, die rund das Sechsfache dieser Forderungen betragen, könnte Russland also seine gesamten Auslandsschulden zahlen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Warum hat Russland dann derartige Zahlungsprobleme?
Das ist relativ einfach zu erklären. Um seine Auslandsgläubiger zu bedienen, muss Russland sie über die jeweils vertraglich festgelegte Konsortialbank in der vertraglich festgelegten Währung bezahlen.
Bei Dollar-Anleihen ist dies die amerikanische JPMorgan Chase.
Noch Mitte März gelang dies Russland, als man den Gläubigern ausstehende Couponzahlungen (also Zinsen) in Dollar überwiesen hatte.
Das US-Finanzministerium hatte speziell für diesen Fall eine Ausnahmeregelung in den Sanktionen verankert.
Diese Ausnahmeregelung wurde im Rahmen der Verschärfung der Sanktionen vom 4. April aufgehoben.
Das Datum war kein Zufall, da Russland an diesem Tag zwei auslaufende Anleihen im Wert von 600 Millionen US-Dollar bezahlen musste.
JPMorgan Chase wollte die Zahlung durchführen, das US-Finanzministerium blockierte die Überweisung jedoch. Russlands darauffolgendes Angebot, die fälligen Zahlungen in Rubel zu leisten, wurde von den amerikanischen Banken abgelehnt.
Das ist aber nicht überraschend, entsprach es ohnehin nicht den vertraglichen Bedingungen der Anleihe, die ja explizit als Dollar-Anleihe verkauft wurde.
Nun greift die vertraglich festgelegte „Gnadenfrist“ – der Schuldner hat 30 Tage Zeit, den Gläubigern entgegenzukommen. Sollten die US-Sanktionen bis zum 4. Mai also nicht geändert werden, wäre die Staatsanleihe rechtlich und technisch gesehen nicht bedient worden.
Das ist die Definition eines Staatsbankrotts. Sicher wird Russland rechtliche Schritte dagegen einleiten und sich auf höhere Gewalt berufen – man sei schließlich zahlungswillig und auch zahlungsfähig.
Nach Argumentation der US-Regierung hat Russland durch die Invasion in der Ukraine vorsätzlich die Sanktionen ausgelöst, die nun eine Rückzahlung der Schulden verhindern, und könne sich daher nicht auf höhere Gewalt berufen.
Da die Anleihen fast ausschließlich nach britischem Recht ausgegeben wurden, wird diese Frage dann die britischen Gerichte beschäftigen und es ist schwer vorherzusagen, welche rechtliche Interpretation dort standhalten wird.
Die am 4. April auslaufende Anleihe war dabei nur der Anfang.
Wie Bloomberg berichtete, hat mittlerweile auch der in Luxemburg ansässige europäische Clearingdienstleister Clearstream die Auszahlung russischer Anleihen blockiert.
Clearstream gehört der Deutschen Börse AG und ist einer der größten Dienstleister zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften. Das Unternehmen gibt auf seiner „Schwarzen Liste“ zahlreiche Finanzprodukte, die in US-Dollar, Euro und Franken notiert sind, an und beruft sich hierbei auf die Sanktionen der EU.
Betroffen sind dabei keinesfalls nur Staatsanleihen. Bei den im Volumen mehr als doppelt so hohen russischen Unternehmensanleihen scheint es jedoch noch keine allgemeingültige Regel zu geben.
So wurden in den letzten Wochen von der Citigroup beispielsweise Zins-/Couponzahlungen von Gazprom und Norilsk Nickel genehmigt, während das gleiche Institut Anleihen-Rückzahlungen des russischen Stahlgiganten Severstal und Zinszahlungen des Düngemittelkonzerns EuroChem blockiert hat.
Der staatliche russische Eisenbahnkonzern RZD konnte aufgrund der Sanktionen eine in Franken notierte Anleihe nicht bedienen. Der russische Google-Konkurrent Yandex läuft sogar Gefahr, einen technischen Konkurs anzumelden, da er ausstehende Auslandsanleihen, die vertraglich am Ende der Laufzeit in Aktien umgewandelt werden, nicht bedienen kann – der Handel mit russischen Aktien ist in der EU und den USA unterbunden.
Folgen für Russland und die Gläubiger
Normalerweise gilt ein Staatsbankrott als massiver Schlag für die betreffende Volkswirtschaft. Ein Staat, der seine Gläubiger nicht bezahlen kann oder will, hat in den folgenden Jahren und Jahrzehnten massive Probleme, sich an den internationalen Finanzmärkten Kapital zu beschaffen. Wenn es doch gelingt, muss er in der Regel einen sehr hohen „Zinsaufschlag“ bezahlen, der das Ausfallrisiko spiegelt.
Doch im Falle Russland ist nichts normal. Russland ist ja durchaus zahlungswillig und das Geld ist auch vorhanden.
Zudem ist man – zumindest so lange die Energieexporte laufen – gar nicht auf internationale Geldgeber angewiesen. Das gilt jedoch nur für den Staat und nicht für die Unternehmen. Wenn diese im Ausland Investitionen vornehmen wollen, brauchen sie Kredite in der entsprechenden Währung.
Es ist fraglich, ob die russische Zentralbank dies nach Beendigung der Sanktionen alleine schultern kann. Und sollte es noch zu einem Energieembargo des Westens kommen, stellt sich die Situation für den Staat und mehr noch für die Unternehmen durchaus prekär dar. Russische Unternehmen hätten auf dem internationalen Markt – und zwar nicht nur im Euro- und Dollarraum – massive Wettbewerbsnachteile; ihnen ginge sprichwörtlich das Geld aus.
Man kann davon ausgehen, dass genau dies ein Motiv hinter den Sanktionen ist.
Es geht weniger darum, Russland zu „bestrafen“, sondern darum, Russland zu verarmen und zu destabilisieren – die damit verbundene Schwächung russischer Unternehmen auf dem internationalen Parkett dürfte ein willkommener Nebeneffekt sein.
Dafür werden – zumindest mittelfristig – jedoch auch im Westen Verluste anfallen. Wer besitzt die Anleihen, die nun nicht bedient werden können?
Das sind hauptsächlich Fonds, die auf sogenannte Emerging-Market-Bonds spezialisiert sind und die Anteile dieser Fonds werden wiederum hauptsächlich von Pensionsfonds gehalten. Wundern sie sich also nicht, wenn ihre private Zusatzrente ein wenig niedriger ausfällt.
Wie bei jeder Pleite kreisen jedoch auch hier bereits die Geier. Wie Markt-Insider berichten, haben einige Hedge Fonds bereits das große Geschäft mit den russischen „Pleite-Anleihen“ gewittert und kaufen sie den Pensionsfonds im großen Stil ab.
Das ist ein gutes Geschäft, wenn die Sanktionen schon bald gelockert werden sollten und russische Unternehmen sowie der russische Staat diese Papiere bedienen werden. Daran glaubt jedoch kaum jemand.
Wenn bei einem Bankrott – und sei er nur technisch – keine Begleichung der Schulden möglich ist, kann der Gläubiger seine Forderungen jedoch auch auf dem Rechtsweg anderweitig eintreiben.
Verbreitet ist dabei z.B. die Verpfändung von Vermögenstiteln.
Während der Staat davor weitestgehend geschützt ist – Botschaftsgebäude und ähnliches unterliegen völkerrechtlichem Schutz und können nicht gepfändet werden – sieht dies bei den Unternehmen ganz anders aus. Deren Auslandsvermögen, also Immobilien, Tochterfirmen oder Beteiligungen, sind pfändbar. Auch das dürfte durchaus im Sinn der westlichen Politik sein.
Und die ausstehenden Staatsschulden? Es ist unwahrscheinlich, dass hier die Sanktionen als Riegel rechtlichen Bestand haben. Die US-Regierung hat hier bereits die Weichen gestellt. Nach Ablauf einer Übergangsfrist ist es US-Bürgern und US-Unternehmen – und dazu zählen dann nach amerikanischem Rechtsverständnis auch ausländische Unternehmen, die in den USA wirtschaftlich aktiv sind – verboten, Zahlungen vom russischen Staat und den sanktionierten russischen Unternehmen entgegenzunehmen.
Alle Anleihen werden spätestens dann technisch ausfallen und mittel- bis langfristig werden die offenen Forderungen wohl nach Gerichtsentscheiden aus den eingefrorenen russischen Devisenreserven beglichen.
Russland wird enteignet. Den Anleihengläubigern könnte dann jedoch ein ganz anderes Problem ins Haus stehen. Nach Aussage des Finanzunternehmens Oxford Economics wird auch die Ukraine vor Gericht Anspruch auf die eingefrorenen russischen Devisenreserven erheben und die Mittel zum Wiederaufbau des Landes einklagen.
Die Geier kreisen und nach dem militärischen und ökonomischen Krieg droht nun ein Krieg um die eingefrorenen Devisenvermögen Russlands.
Ob und wie viel Dollar und Euro Russland zurückbekommen wird, ist offener denn je.
Quelle: Nachdenkseiten.de
Bild: pexels-vlada-karpovich
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