Ist “Corrective” Fake-News oder Propagenda?

Zu Belegen, Beweisen und Quellen im Deutschland-Theater von Correctiv

 
von Peter Löcke // Club der klaren Worte

Zu Belegen, Beweisen und Quellen im Deutschland-Theater von Correctiv

„Geheimplan gegen Deutschland“ (1) – unter diesem etwas reißerischen Titel veröffentlicht das Faktencheckerportal Correctiv am 10. Januar 2024 eine Recherche, die Deutschland bewegt. So soll ein konspiratives Treffen am 25. November 2023 im Landhaus Adlon bei Potsdam stattgefunden haben. Die beteiligten Akteure „planten nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“. So teasert Correctiv den Artikel an.
Handelt es sich wirklich um eine Verschwörung böser Kräfte oder verbreitet Correctiv hier eine Verschwörungstheorie in Form eines inszenierten Theaterstücks? Ein Theaterstück ist es ohne Zweifel. Als solches ist die Recherche stilistisch angelegt. Zwischen dem Ereignis und der Veröffentlichung des Theaterstücks lagen 46 Tage. Das am 10. Januar veröffentlichte Skript wird am 17. Januar (!) vom Berliner Ensemble uraufgeführt (2). Karten sind ein Tag nach dem Erscheinen der Recherche nur mehr an der Abendkasse erhältlich. Keine Pointe.

Die Correctiv-Recherche weist weitere Merkwürdigkeiten auf. – Eine Analyse:

Sprache

Die sprachliche Verpackung ist für eine Recherche außergewöhnlich. Eingerahmt von einem Prolog und Epilog, unterteilt in Akten und Szenen, wird dem Leser ein kriminalistisches Bühnenstück präsentiert. Wie es sich für das Skript eines Dramas gehört, werden die auf der Bühne auftretenden Personen gelistet. 17 davon namentlich, angefangen bei Roland Hartwig, der „rechten Hand von Alice Weidel“, bis zu Henning Pless, laut Correctiv „rechtsextremer Heilpraktiker und Esoteriker“. Spannender als die gewählte Textform ist die verwendete Sprache selbst. Sie bewegt sich höflich ausgedrückt im belletristischen Bereich, weniger höflich ausgedrückt im Stil eines billigen Groschenromans mit dem Ziel, eine düstere Stimmung zu entfachen: „Draußen zerfällt der Schnee zu grauem Matsch (…) Am Abend danach ist alles still. Das Hotel wirkt wie ausgestorben. Nur ein leichtes Fernsehflackern kommt aus der Juniorsuite.“

Solche Sätze gehören in einen Roman, nicht in eine Recherche.

Bildauswahl

Texter, Rechercheure, Layouter, weitere Mitarbeiter – das Rechercheteam von Correctiv bestand laut eigenen Angaben aus 18 Mitarbeitern. Eine journalistische Eins-zu-eins-Betreuung angesichts der zu beobachtenden vermeintlichen Verschwörer. Ein nicht namentlich genannter Correctiv-Mitarbeiter hatte laut offizieller Geschichte Zugang zum Hotel und übernachtete dort. Dazu später mehr.
Bildmaterial lieferte der eingeschleuste Redakteur nicht. Correctiv präsentiert ausschließlich Fotos von vier sich außerhalb der Lokalität befindenden Kameras. Es sind verpixelte Graustufenaufnahmen, innerhalb der Bilder vergrößerte Fotos der teilnehmenden Personen. Sie wirken düster und bedrohlich, erinnern an alte RAF-Fahndungsfotos. Hinzu kommen Grundrisse des Gebäudes, Lagepläne.

Welchen journalistischen Wert haben diese Bilder? Überhaupt keinen. Sie belegen oder widerlegen nichts, dienen allein der optischen Untermalung, dass an diesem 25. November 2023 etwas Ungeheuerliches stattgefunden habe. Anders ausgedrückt: Stellen Sie sich Ihre eigene Weihnachtsfeier in der Großfamilie vor. Von dieser Feier werden aus großer Entfernung verpixelte Graustufenbilder durch Ihr Wohnzimmer geschossen, verbunden mit der „Tatsachenbehauptung“, Ihre Familie wolle das Dorf in die Luft sprengen. Zwar sind die Beweise für den Vorwurf dünn oder nicht vorhanden, doch die Bilder erzielen ihre Wirkung. 

Making-of

In einem zweiten, weniger beachteten Artikel, einem Making-of (3), beschreibt Correctiv, wie man von der Veranstaltung erfuhr. Man hatte Insidertipps. Einladungsbriefe und Gästelisten wurden dem Recherchenetzwerk zugespielt. Anhand der auftretenden Akteure, insbesondere Martin Sellner, witterte Correctiv ein Ereignis von „herausragender gesellschaftlicher Relevanz“ und „potenzielle(r) strafrechtliche(r) Relevanz“. Daraufhin wurde man tätig.
„Wir mieteten ein Zimmer über ein Online-Portal, das die Hoteliers offenbar vergessen hatten zu blockieren. Damit konnte einer unserer Reporter ganz offen das Haus betreten und mit den anderen Gästen als einziger externer Teilnehmer übernachten.“ 

Offenbar? Auch hier arbeitet Correctiv mit Suggestion. Es wird unterstellt, dass die Hoteliers niemand anderes zu Gast haben wollten und dabei leider vergaßen, ein Zimmer zu blockieren. Dass Correctiv Insiderquellen hat, mag stimmen, doch bereits im Begleitartikel fehlt etwas. Quellen! Es fehlen Quellen wie etwa das PDF einer Einladung oder einer Gästeliste. Diese Briefe wurden Correctiv laut eigenen Angaben doch zugespielt. 

Vermeintliche Quellen

Wie gewohnt integriert das Recherchenetzwerk Dutzende Quellen in seinen Artikel. Oberflächlich betrachtet verheißt ein solcher Artikel Seriosität, Überprüfbarkeit und eine Tiefenrecherche. Nur belegen sämtliche Quellen nicht die eingangs aufgestellte Behauptung, dass hier eine Gruppe von Verschwörern „nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“ plane. Die Quellen sind belanglos. Dass Marco Wanderwitz eine Petition zur Auflösung der AfD startete, ist bekannt. Dass der Verfassungsschutz die AfD in einigen Bundesländern als rechtsextrem einstuft, ist ebenso bekannt. Es hat genau nichts mit dem aufgestellten Vorwurf zu tun. Viele der Quellen sind selbstreferenziell und verlinken auf alte Correctiv-Artikel. Correctiv beweist seine Thesen durch Correctiv.

Fehlende Quellen

Fotos der Einladungen/Briefe? Es gibt sie nicht. Mitschnitte, Tonaufnahmen, Transkripte der Reden, die belegen, dass hier Menschen belegbar Ungeheuerliches und Verfassungswidriges gesagt oder gefordert haben? Das alles gibt es nicht. Zumindest werden die Quellen dem Leser nicht präsentiert. Einige Akteure wurden laut Artikel um eine Stellungnahme gebeten. Warum nicht alle? Auch hier: Correctiv bildet keine Anfrage und kein Antwortschreiben im Original ab, damit sich der geneigte Leser an der Quelle ein eigenes Urteil bilden kann. Es bleibt bei einer subjektiven Nacherzählung von Correctiv. Die mag stimmen oder nicht.
Spannend ist zudem die offene Frage, wie das Netzwerk überhaupt an die vermeintlich verifizierten Aussagen gekommen ist? Ein Reporter sei mit Kamera vor Ort gewesen (siehe Making-of). Bilder jedoch hat dieser Anonymus nicht geliefert (siehe Bildauswahl). Wie ist man also praktisch an die im Text verwendeten Zitate – es handelt sich meist um Wortzitate – gekommen? Das lässt Correctiv offen. Es ist unwahrscheinlich, dass der namenlose Reporter im kleinen illustren Kreis zugegen war. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass er wie in einem kitschigen Detektivroman an der Tür zum Saal gelauscht hat. Hat Correctiv also den Saal verwanzt? Die Fragen beantwortet das Recherchenetzwerk nicht.

Wording, Tatsachenbehauptungen, Wertungen

Rechtsextrem, rechtsradikal, Nazi und außerdem rechtsextrem. Repetitio, die ständige Wiederholung, ist das Einmaleins der Propaganda. Allein das Wort „rechtsextrem“ taucht 16 Mal in der Recherche auf. Zudem werden im Artikel wie auch im Teaser Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die in der Tat schwerwiegend sind, so sie denn stimmen. Exemplarisch: Was war laut Correctiv der Plan der Menschen, die sich am 25. November trafen? „Ihr wichtigstes Ziel: Menschen sollen aufgrund rassistischer Kriterien aus Deutschland vertrieben werden können – egal, ob sie einen deutschen Pass haben oder nicht.“
Folgt ein schlüssiger Beleg, folgen verifizierte Aussagen, die diesen schwerwiegenden Vorwurf belegen? Nein. Eine journalistische Recherche ist ergebnisoffen, ohne Wertung, ohne Spekulation, ohne „angeblich und offenbar“. Dieser Artikel ist voll dieser Phänomene. Sekundärmedien übernehmen das und überbieten sich in Vorwürfen, dass in einem „Masterplan“ die „Deportation“ von Millionen Menschen gefordert wurde. Welcher der Anwesenden sprach von Deportation? Correctiv selbst verwendete das Wort „deportieren“ an einer einzigen Stelle des Artikels – als eigene Spekulation, wie (nicht belegte) Aussagen von Martin Sellner zu interpretieren seien. „Was Sellner entwirft, erinnert an eine alte Idee: 1940 planten die Nationalsozialisten, vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren.“

Der Protagonist Martin Sellner 

Der Fokus des Artikels liegt auf Martin Sellner, Teil der „Identitären Bewegung“, Autor des Buches „Regime Change von rechts“ – ein Mensch, den man kritisch sehen darf, vielleicht sogar sehen muss. Ihm werden Worte wie „Masterplan“ in den Mund gelegt. Verbindungen zur Wannseekonferenz, einem dunklen Teil der deutschen Geschichte, werden hergestellt. Sellner selbst behauptet, nichts von dem, was ihm vorgeworfen werde, so gesagt oder gemeint zu haben. Im Kern wehrt sich Sellner gegen den Vorwurf, eine gewaltsame Vertreibung von Menschen oder die Abschiebung aller Migranten auch nur irgendwie gefordert zu haben. (4) 

Remigration oder viel Rauch um Nichts?

Worum ging und geht es eigentlich? Das Thema hieß und heißt Remigration. Es ging auf der Veranstaltung um einen Richtungswechsel in der Asylpolitik. Correctiv selbst sagt, dass Remigration das Kernthema der Veranstaltung gewesen sei. Nur ist das kein neues Thema. Es ist kalter journalistischer Kaffee und unspektakuläre heiße Luft. Die AfD fordert seit Langem Remigration. Im vergangenen Jahr haben fast alle anderen Parteien – von der CDU über die SPD bis zu den Grünen – einen Kurswechsel in der Asylpolitik angekündigt und sich dem Standpunkt der AfD angenähert; immer im politischen Spagat, sich von der AfD zu distanzieren. Exemplarisch sei an die Aussage des Bundeskanzlers Olaf Scholz erinnert: „Wir müssen im großen Stil abschieben.“ (5)
Das Problem liegt darin, dass Begriffe gefährlich vermischt werden. Remigration, damit einhergehend also die Abschiebung oder Ausweisung von illegal sich in Deutschland befindenden Migranten, sind legitime Forderungen, die nicht nur von der AfD aufgestellt werden. Bezeichnungen wie „Deportation“ oder die „Vertreibung“ von Millionen Menschen sind nicht nur sprachlich geschmacklos. Solche Forderungen sind justiziabel und erinnern an dunkle Zeiten Deutschlands. Nun liegt Correctiv in der Beweispflicht, dass wirklich solche Forderungen aufgestellt wurden. Der Beweis wird, Stand jetzt, nicht erbracht. Handelt es sich bei dem präsentierten Drama also in Wahrheit um ein journalistisches Trauerspiel, um ein Husarenstück an Propaganda, das dazu dient, die AfD zu verbieten?

Das Skript kommt auf die Bühne

Vieles deutet darauf hin, dass es sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine Inszenierung handelt, denn fest steht: Die vermeintlichen Konspirateure trafen sich am 25. November 2023 im Landhaus Adlon in Potsdam. Mit reichlich Verspätung veröffentlicht Correctiv eine „Recherche“ über dieses Treffen am 10. Januar 2024. Noch am selben Tag kündigt das Berliner Ensemble, eines des renommiertesten Theater in Deutschland, an, das „Drama“ am 17. Januar in einer szenischen Lesung auf die Bühne zu bringen (2). Regisseur und Schauspieler stehen fest, das Drama ist nur einen Tag später offiziell ausverkauft.
Unsere Redaktion hat bei der Geschäftsführung und dem Intendanten des Berliner Ensembles schriftlich nachgefragt, wie diese bemerkenswerte Kooperation zeitlich wie inhaltlich vonstattenging (6). Sollten wir noch eine Antwort erhalten, werden wir Fragen wie Antworten ohne Wertung veröffentlichen. Sollte dies nicht geschehen, müssen wir uns bis zum 17. Januar gedulden. Das Berliner Ensemble tut im Übrigen vorab kund, im Theaterstück „weitere Details“ zu enthüllen. – Bis dahin?

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Bertolt Brecht (Mitgründer des Berliner Ensembles)

Text: Club der klaren Worte / Bild: Radio Qfm.
 

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