Sind die Tage der Gendersprache gezählt?

Die Stralsunder Bürgerschaft hat gegen das Gendern in der Verwaltung gestimmt.

Der AfD-Antrag war unter anderem mit Stimmen von CDU und FDP durchgebracht worden.

Nach der Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache scheinen die Zeichen auf Protest zu stehen.

Die Stralsunder Bürgerschaft – also das oberste Beschlussorgan der Hansestadt in Mecklenburg-Vorpommern – hat gegen das Gendern in der Verwaltung gestimmt, schreibt unter anderem die Welt. Die AfD hatte einen Antrag mit dem Titel „Gendern konsequent unterbinden – Kommunikation in regelkonformer Sprache“ zur Abstimmung gebracht, der städtische Einrichtungen und Betriebe anweisen will, sich an die Vorgaben des Rates für deutsche Rechtschreibung zu halten. Dieser hatte das Gendern bereits 2021 abgelehnt – etwa in Form von Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt.

Am Donnerstag hatten 21 Stadtvertreter für und 17 gegen den Antrag gestimmt. 

Von insgesamt 43 Stralsunder Bürgerschaftsmitgliedern gehören nur sechs der AfD an. Die weiteren Stimmen für den Antrag stammen von der CDU und FDP sowie den „Bürgern für Stralsund“ (BfS). Zwei CDU-Frauen sowie die Teilnehmer von Linke, SPD, Grünen und Die Partei hatten dagegen gestimmt. Die SPD-Landtagsfraktion in Schwerin nannte dieses Abstimmungsverhalten einen „Tabubruch“ und befand es für „nicht hinnehmbar, dass die CDU und die FDP mit der AfD stimmen und deren Antrag zur Mehrheit verhelfen“. Und Paul Benduhn, Sprecher der Grünen Jugend Mecklenburg-Vorpommern, gab zu Protokoll: „Die Brandmauer gegen Rechts ist einmal mehr löchrig wie ein Schweizer Käse.“

Dass es nicht um Inhalte, sondern ums Image geht, ist eine der größten Krankheiten unserer Politik. 

Und in der Tat werden vergleichbare Anträge nicht selten abgeschmettert, wenn sie von der AfD stammen. So geschehen etwa im Januar im Landtag von Sachsen-Anhalt, als sich die CDU gegen den AfD-Antrag „Gendern? Nein danke“ stellte. Diese hatte pikanterweise vom gleichnamigen Antrag der CDU in Thüringen abgeschrieben, welcher im vergangenen November mithilfe von AfD und den „Bürgern für Thüringen“ durchgebracht worden war.

Und im Juni 2021 hatte die AfD in Hessen einen Antrag zum Verbot der Gendersprache in den Landtag gebracht, welcher von den anderen Parteien abgelehnt worden war (dieser Antrag soll wiederum fast wortgleich von der Hamburger CDU übernommen worden sein). Bemerkenswert sind diese Geschehnisse nicht zuletzt auch deshalb, weil es laut einer Umfrage von 2021 in keiner Partei eine Mehrheit für die Gendersprache gibt.

„Nun ist das Volk an der Reihe“

Neben dem Thüringer Antrag stellt der Stralsunder Beschluss also einen seltenen Erfolg parteiübergreifender Kooperation gegen die Gendersprache – auch mit der AfD – dar. Womöglich hat sich das politische Klima auch durch die Hamburger Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ von Sabine Mertens gedreht (Achgut berichtete hier und hier. Ich habe Sabine Mertens außerdem für meinen YouTube-Kanal interviewt). Bis August müssen 10.000 Hamburger Unterschriften gesammelt werden, um im nächsten Schritt innerhalb drei Wochen 66.000 gültige Unterschriften zu bekommen, damit es dann, gekoppelt an eine Landtags- oder Bundestagswahl, zum Volksentscheid kommen kann.

Die Kunsttherapeutin und Autorin hatte die Initiative mit Rückenwind der Hamburger CDU gestartet, die die Aktion schon im Vorhinein unterstützte und deren Fraktionschef Dennis Thering gar dafür plädierte, im Senat aus eigener Initiative gegen die Gendersprache vorzugehen.

Auch FDP und AfD äußerten Zustimmung, auf Solidarität seitens der umstrittenen Letzteren legt die Initiative jedoch ausdrücklich keinen Wert.

So oder so macht ihr bisheriger Erfolg – mit bereits 6.000 gezählten gültigen Unterschriften sollte die erste Etappe bis August genommen werden können – Mut, dass sich Engagement wieder lohnt. Ob nun parteipolitisch oder zivilgesellschaftlich. Ein „Ableger“ der Hamburger Initiative findet sich bereits in Baden-Württemberg um den Heidelberger Rechtsanwalt Klaus Hekking: Seit Beginn dieser Woche sammelt das CDU-Mitglied Unterschriften gegen die Genderpflicht. Wie RTL berichtet, war ein Antrag der FDP gegen das Gendern in öffentlichen Institutionen im Februar im Landtag bereits gescheitert.

Nun sei das Volk an der Reihe, findet Hekking. 

 

Seit Montag hätten bereits knapp 1.500 Menschen digital unterschrieben (hier kann unterzeichnet werden)

Auch in Baden-Württemberg werden zunächst 10.000 Unterschriften benötigt, um im zweiten Schritt ein Volksbegehren zu starten. 

Kommen hier in sechs Monaten rund 780.000 Unterschriften zusammen (10 Prozent der Wahlberechtigten), wird im dritten Schritt der Gesetzesentwurf dem Landtag zur Abstimmung vorgelegt. 

Findet er keine Mehrheit, folgt eine Volksabstimmung.

Quelle: Ulriche Stockmann – Achgut

Bilder: Das Ende der Gendersprache sandy-millar-unsplash

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