Steckt die USA hinter den BRICS-Staaten?

Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger. 

Hoffnungsvoll schauten Menschen nicht nur in Deutschland 1989 auf die Ereignisse in Berlin. Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ und die Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation sowie das Ende der Sowjetunion (26. Dezember 1991), boten die realistische Chance, eine Friedensordnung für das 21. Jahrhundert zu begründen.

Doch die US-Präsidenten Clinton, Bush, Obama und Biden setz(t)en den amerikanischen „Exzeptionalismus“ um. Darunter ist der Anspruch der USA zu verstehen, allen anderen Nationen dieser Welt mit Machtmitteln den „richtigen Weg“ zu weisen. Dieser spezifischen Ideologie zufolge nahmen die Vereinigten Staaten von Amerika – als „God’s own country“ – schon immer eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Staaten ein. Schon bei der Eroberung des nordamerikanischen Kontinents und der Ausrottung einheimischer Völker waren nach Ansicht des US-Publizisten Noam Chomsky die USA auf die Ideologie vom „Manifest Destiny“ (1845) fixiert, dem religiös-getünchten Grundpfeiler des skrupellosen Imperialismus mit Stoßrichtung Weltherrschaft.(1)

Die USA hätten zum Ende des 20. Jahrhunderts die Möglichkeit gehabt, maßgeblich zu einer Friedensordnung beizutragen, setzten diese Chance jedoch zugunsten der Weltmachtphantasien in den Sand. Das Chaos in einzelnen Ländern war Teil der geopolitischen Strategie, wie im Irak, in Afghanistan, Libyen und in Syrien noch heute zu beobachten ist. Doch dieses Chaos flog den USA als „Paradoxon der Gewalt“ bald selbst um die Ohren: Das ursprüngliche Ziel rückt immer mehr in weite Ferne, weil es sich dem Zwang entzieht. Nicht ohne Tragik jedoch war es für die Nordamerikaner, als etwa 2001 acht höchst unterschiedliche Länder sich zur Shanghai-Organisation (SOC) zusammenschlossen. Diese und die in der folgenden Dekade sich anbahnende Entwicklung der BRIC-Staaten (heute BRICS) bestimmen aktuell den Kulminationspunkt einer – ganz entgegen aller weltpolitischen US-Interessen – multipolaren Welt. Dass die Gründung der BRIC-Staaten vom amerikanischen Finanzkapital initiiert wurde, verleiht aktuellen Umbrüchen, bis hin zu BRICS+ (August 2023), nur weiter an Würze, wie dieser Artikel noch im Detail aufzeigt.

Als in den 90er-Jahren die ehemaligen Sowjet-Staaten, noch am Boden liegend, ihre Unabhängigkeit erklärten, hielt die USA keinen Moment inne und begann weltweit, ihre Pflöcke einzuschlagen. Am 2. August 1990 erklärte US-Präsident George Bush sen., warum die USA in Kuwait mit der Operation “Desert Storm” gegen den Irak in den Krieg ziehen muss:

„Vor uns liegt die Gelegenheit, für uns und für die Zukunft eine Neue Weltordnung zu schmieden. Eine Welt, in der die Gesetzmäßigkeit und nicht das Recht des Dschungels das Verhalten der Nationen bestimmt. Wenn wir erfolgreich sind – und wir werden erfolgreich sein – haben wir eine reale Chance auf diese Neue Weltordnung. Eine Ordnung, in der die Vereinten Nationen glaubwürdig ihre “friedenssichernde” Aufgabe erfüllen, gemäß dem Versprechen und der Vision ihrer Gründer.“ (2)

Am 29. Januar 1991 verkündete Bush sen. in der Rede zur Lage der Nation:

„Es ist eine großartige Idee: eine neue Weltordnung … nur die Vereinigten Staaten haben sowohl den moralischen Rang als auch die Mittel, um sie durchzusetzen.“ (3)

Wo sich die USA einen solchen moralischen Rang erworben haben sollen, bleibt angesichts ihrer Geschichte mehr als fraglich.

Wie der Westen seine Zukunft verspielte

Nach dem erfolgreichen Feldzug 1991 gegen den Irak, legte der neokonservative Vizeverteidigungsminister Paul Wolfowitz(4) im August 1994 die “Defence Planning Guidance 1994-1999”, besser bekannt als Wolfowitz-Doktrin, vor. Unter dem Titel „Ein Konzept für die Entwicklung volldimensionaler Operationen für die strategische Armee des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts“ wurde“Eine Welt im Übergang” skizziert. Anstatt den Kommunismus zu bekämpfen, werde man im 21. Jahrhundert gegen nationalen und religiösen Extremismus vorgehen müssen. Hatte man im 20. Jahrhundert dauerhafte Verbündete, so seien sie im 21. Jahrhundert nur noch Verbündete auf Zeit. Dabei wurde die US-Armee auf zwei Prämissen eingeschworen, nämlich auf

„den rapiden technischen Wandel – Kampfroboter und Drohnen …und auf die Neuordnung der Geostrategie“(5).

Eine dynamische neue Ära – eine blumige Umschreibung für blutige Kriege – sollte eingeleitet werden, wobei die Dekaden von 1990 bis 2010 als Jahrzehnte der Transformation bezeichnet werden. Die Transformation sah vier Eskalationsstufen vor: Aufruhr – Krise – Konflikt und schließlich Krieg. Das war im ehemaligen Jugoslawien gut zu beobachten. Am 24. März 1999 begannen USA und NATO ohne UN-Mandat den somit völkerrechtswidrigen Krieg gegen Serbien. Fünf Tage vor Angriffsbeginn definierten die USA im sogenannten “Seidenstraßen-Strategiegesetz” (Silk Road Strategy Act) ihre umfassenden wirtschaftlichen und strategischen Interessen in einem militärisch abgesicherten breiten Korridor, der sich vom Mittelmeer bis nach Zentralasien erstreckte. Letztlich ging es vor allem um die in Eurasien liegenden Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten. Unter Missachtung der UN-Charta und bewusstem Verstoß gegen das Völkerrecht wurde kurzerhand noch im Frühjahr 1999 neues „Recht“ geschaffen. Die NATO-Strategie MC 400/2 verankert auf Dauer die „Kriseninterventionsrolle“ des westlichen Verteidigungsbündnisses. Seit 1999 behält sich die NATO das Recht vor, im Ausnahmefall und auf der Basis eines Konsensbeschlusses der Bündnispartner auch ohne Mandat kontinentübergreifend militärisch zu intervenieren. Das war die Zeitenwende hin zur sogenannten „Regelbasierten Ordnung“.

Der Jugoslawienkrieg als Zeitenwende und imperiale Demonstration

Mit dem vom US-Präsidenten Bill Clinton nur 5 Tage vor dem Beginn des Jugoslawienkriegs am 25. März 1999 auf den Weg gebrachten Seidenstraßen-Strategie-Gesetz zielte die US-Politik darauf ab, ihre Kontrahenten im Ölgeschäft, darunter Russland, Iran und China zu schwächen und nach Möglichkeit zu destabilisieren. Erklärte Ziele im Hinblick auf die Energieressourcen dieser Region sind:

„Russlands Monopol über die Öl- und Gastransporte zu brechen, die Sicherheit der Energieversorgung des Westens durch breitere Streuung der Produzenten zu fördern, den Bau von Ost-West-Pipelines zu ermutigen, die nicht durch den Iran verlaufen, sowie zu verhindern, dass der Iran gefährlichen Einfluss auf die Wirtschaften Zentralasiens gewinnt..“(6)

Ende April 2000 folgte der Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer der Einladung des US-Außenministeriums und des American Enterprise Institutes(7) zu einer Konferenz nach Bratislava. Hier wurde Klartext über die amerikanischen Pläne für die Neuordnung Europas gesprochen. Das veranlasste Wimmer, am 2. Mai 2000 Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem Brief über die Inhalte dieser Konferenz zu informieren. An erster Stelle wurde verlangt, im Kreis der Alliierten die möglichst baldige völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Staates Kosovo vorzunehmen.

Da diese Forderung de facto die Aufkündigung der Schlussakte von Helsinki bedeutet hätte, erklärten die Veranstalter, dass die Bundesrepublik Jugoslawien außerhalb jeder Rechtsordnung, v.a. der Schlussakte von Helsinki, stehe. Der Krieg sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem Zweiten Weltkrieg zu revidieren. Eine Stationierung von US-Soldaten müsse aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden. Der Krieg gegen Jugoslawien sei ein Präzedenzfall, auf den sich die NATO jederzeit berufen könne und auch werde.

Auch weitere Forderungen waren vom „Feindbild Russland“ geprägt. Die anstehenden NATO- Erweiterungen sollten die Russische Föderation spürbar in die Zange nehmen: Nördlich von Polen gelte es, die vollständige Kontrolle über den Zugang zur Ostsee (via St. Petersburg) zu erhalten und die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen ist. Zur Durchsetzung dieser Ziele sei dem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des Völkerrechts zu geben.

Zum Abschluss seines Briefes an Kanzler Schröder nimmt Willy Wimmer eine Bewertung der Bratislava Konferenz-Inhalte vor und schreibt:

„Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewusst und gewollt die als Ergebnis von zwei Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll vor Recht gehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der Zweite Weltkrieg nicht mehr fern.“(8)

Über Aufruhr > Krise > Konflikt und Krieg zur gewünschten Transformation von Ländern

Nach dem Kosovo-Krieg ging es mit den selbstmandatierten Kriegen nach Vorgabe des Strategiepapiers TRADOC 525-5 ungeniert in Libyen und in Syrien weiter. In der Ukraine sind die vorgegebenen Eskalationsstufen gut zu beobachten: Aufruhr (am Maidan-Platz in Kiew), Krise (in Slawjansk / Oblast Donezk) und Konflikt (Halbinsel Krim) bis hin zum Krieg (dem Beginn der Angriffe ukrainischer Streitkräfte auf die Zivilbevölkerung im Donbass Anfang Mai 2014).

Im Wolfowitz-Dokument wird die Stringenz und Kontinuität des amerikanischen Hegemoniestrebens deutlich herausgearbeitet: niemals dürfe eine Nation oder Gruppe von Nationen die USA wirtschaftlich, militärisch oder politisch überflügeln.

Im Frühjahr 1997 wurde die neokonservative Denkfabrik “Project for the New American Century” (PNAC) – auf deutsch „Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert“ gegründet. Die Initiatoren von damals waren Donald Rumsfeld, Dick Cheney, Paul Wolfowitz, Lewis Libby, Robert Kagan, Richard Perle und  William Kristol. Zielsetzung des 80-seitigen Papiers mit dem Titel “Rebuilding America’s Defenses: Strategy, Forces and Resources For a New Century”(9) war eine sichere Grundlage für die Machtprojektion der USA in der ganzen Welt. Dieser

“Transformationsprozess … wird sich wahrscheinlich über einen langen Zeitraum erstrecken, wenn nicht ein katastrophales und auslösendes Ereignis – wie ein neues Pearl Harbor – eintritt”, so der Bericht.

Ein derartiges Ereignis trat tatsächlich am 11. September 2001 ein und die US-Regierung verfügte mit unglaublicher Schnelligkeit tiefgreifende Maßnahmen nach innen und außen. Nur zwei Tage nach 9/11 passierte das “Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus 2001” (Combat Terrorism Act) den Kongress.

Bereits am 20. September 2001 erfuhr US-General Wesley Clark im Pentagon durch Zufall, dass in den nächsten fünf Jahren sieben Länder militärisch angegriffen werden sollten: Irak, Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und der Iran. Bereits am 7. Oktober 2001 – also nur 26 Tage nach den Terrorangriffen – flogen amerikanische und britische Bomber die erste Welle gegen strategische Ziele in Afghanistan.

Am 29. Oktober 2001 schuf Verteidigungsminister Donald Rumsfeld das “Amt für die Umwandlung der Streitkräfte” (Office of Force Transformation), es wurde dem Admiral Arthur Cebrowski anvertraut. In der Rumsfeld/Cebrowski-Doktrin(10) geht es darum, im Interesse des Finanzkapitalismus nicht mehr zu versuchen, Kriege zu gewinnen, sondern sie so lange wie möglich andauern zu lassen. Das heißt im Sinn des neokonservativen Philosophen Leo Strauss: Weltweites Chaos erzeugen, um es “kreativ” zu nutzen.

Ziel ist es, die lokalen staatlichen Strukturen zu zerstören, damit die natürlichen Reichtümer ohne politische Kontrolle ausgebeutet werden können. US-Colonel Ralph Peters fasste es so zusammen: “Stabilität ist Amerikas Feind” (Stability: America’s enemy)(11). Weiter schlagen Rumsfeld und Cebrowski vor,

„dass globalisierte Mächte wie Russland und China nicht bekämpft werden sollten. Vielmehr müssen sie Zugang zu den eroberten natürlichen Reichtümern erhalten, aber gezwungen werden, Lizenzgebühren an die Vereinigten Staaten zu zahlen, um sie nutzen zu können“(12).

Der unmittelbar nach dem 11. September begonnene “War on Terror” ist auch mit dem Fall von Kabul nicht beendet. Im Irak, in Libyen, in Syrien, im Jemen und im Libanon hat sich das Chaos mit seinen bürgerkriegsähnlichen Zuständen erfolgreich etabliert. Vor den westlichen Interventionen waren Libyen und der Libanon Verbündete der Vereinigten Staaten und die USA selbst befinden sich inzwischen in einem Zustand, der sich schnell zu einem Bürgerkrieg ausweiten kann. Hauptverantwortlich scheinen jene Kreise zu sein, die aus Krieg, Zerstörung und Leid zu riesigem Vermögen gekommen sind und dieses Potenzial machtpolitisch nutzen.

Die seit 1990 zur Schau getragene US-Machtpolitik hat in der nichtwestlichen Welt zu Reaktionen geführt, die nun kulminieren und das Ende des selbsternannten Welthegemons einleiten könnten.  Hätten die USA eine Politik in Augenhöhe angestrebt und wäre Washington anderen Kulturen gegenüber mit Respekt aufgetreten, so wäre der Frieden greifbar gewesen. Die USA hätten prosperieren und ein hörbares Instrument im Weltkonzert sein können. Nun nimmt die multipolare Welt Gestalt an, nicht zuletzt als Folge ihrer Bekämpfung.

Shanghai-Organisation (SOC): Reaktion auf die imperiale Politik der USA

Seit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Ex-Jugoslawien überziehen die Vereinigten Staaten allein oder mit “willigen Helfern” (je nach Gutdünken) die geopolitisch relevanten Teile der Welt mit Krieg. Zwischen Afghanistan und Mali erstreckt sich inzwischen ein gigantisches Kriegsgebiet, in dem die US-Streitkräfte operieren. Die betroffenen Staaten haben dazu keinen Anlass gegeben. Sie liegen lediglich in geopolitisch bedeutenden Regionen. Das macht sie zum Ziel geschürter Unruhen.

Die Reaktion auf die imperiale Vorgehensweise Washingtons ließ nicht lange auf sich warten. 1996 schlossen sich trotz ihrer unterschiedlichen Geschichte und trotz mitunter vollkommen gegenläufiger Interessen China, Russland, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan zur Shanghai Five-Gruppe zusammen. Nach dem Beitritt von Usbekistan am 15. Juni 2001 nannte sich die Organisation “Shanghai-Cooperation Organisation” (SCO).

Nur 27 Tage nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 griffen die USA Afghanistan an, ein Land, welches nachweislich nicht beteiligt war. Einziges Vergehen: Der mutmaßliche Drahtzieher Osama bin Laden wurde nicht schnell genug in die USA ausgeliefert. Ging es in Wirklichkeit darum, einer weiteren Ausdehnung der SCO einen Riegel vorzuschieben? 100 Kilometer westlich des Urals, in Ufa, der Hauptstadt der Republik Baschkortostan, wurden Anfang Juli 2015 Indien(13) und Pakistan(14) als Mitglied aufgenommen. Beobachterstatus haben die Mongolei (2004), der Iran (2005), Afghanistan (2012) und Weißrussland (2015). Dialogpartner sind ASEAN, GUS, Sri Lanka, Türkei, Aserbaidschan, Armenien, Nepal, Kambodscha, die “Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit”, die “Eurasische Wirtschaftsunion”, die Malediven. Interesse an einer Mitgliedschaft haben bekundet: Nepal, Turkmenistan, Türkei, Syrien, Bangladesch, Ägypten, Ukraine und die Malediven.

Die Initiative kam aus dem Westen: Der phönixartige Aufstieg der BRICS-Organisation.

Der Terroranschlag auf das World-Trade-Center – das Herz des amerikanischen Kapitalismus – hatte die (Finanz-) Welt ab dem 11. September 2001 in Schockstarre versetzt. Das brachte Jim O’Neill, den frisch ernannten Chef-Ökonomen der US-Investmentbank Goldman Sachs, der nach neuen Anlagestrategien suchte, auf die Idee, auch andere Länder mit unterschiedlichem, politischem und sozialem Stil in den Handel mit einzubeziehen: Brasilien, Russland, Indien und China. In diesen vier bevölkerungsreichsten Schwellenländern der Welt sah O’Neill Staaten mit großem Potential.(15) Der clevere Brite, später von der Queen geadelt, hatte auch gleich das passende Kürzel: BRIC. Mit der noch 2001 erfolgten Veröffentlichung von Building Better Global Economic BRICs sollte die Idee auch Investoren anlocken. Zwei Jahre später ging dann bis zur Finanzkrise 2008 die Post ab.

2005 brachte der Investor Verlag, ein Unternehmensbereich der FID Verlag GmbH, Bonn, ein 23-seitiges Papier China 2050 heraus:

Auf der Titelseite hieß es:

„Wir schreiben das Jahr 2050. China ist die reichste und mächtigste Nation der Erde. Amerikas Blütezeit ist vor kurzem mit einem großen Crash zu Ende gegangen. Unmöglich? Seien Sie da nicht so sicher…denn

  • Peking hat schon Geheimabkommen mit den Saudis, Thais, Russen und sogar den Kanadiern getroffen
  • Chinesische Energieversorger – einige von Ihnen im Besitz des chinesischen Militärs – bedienen sich bereits jetzt am japanischen Öl im Ostchinesischen Meer und dies vor den Augen der Weltöffentlichkeit!
  • China hat mit Hilfe von US-Schatzanweisungen 2,2 Billionen US-Dollar verdient… und nutzt dieses Geld, um dem Westen seine Zukunft abzukaufen!“.

Auf den restlichen 22 Seiten sind weitere überraschende Visionen zu lesen.

Am 12. September 2006 trafen sich in New York City am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung die Außenminister der ersten vier BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) und initiierten damit eine Reihe hochrangiger Treffen.

Unter dem Motto “Globale Krisen – globale Verantwortung” hatte die 43. Sicherheitskonferenz in München im Februar 2007 auch den russischen Staatschef geladen, der dort eine bemerkenswerte Rede hielt. Eingangs blendete er zwei Jahrzehnte zurück. Da war die Welt zwar ideologisch und wirtschaftlich zerbrochen, doch, so Putin, „…ihre Sicherheit garantierten die gewaltigen strategischen Potenziale zweier Supermächte“(16). Aus dem Kalten Krieg seien “Blindgänger” liegengeblieben: „…ideologische Stereotypen, doppelte Standards, irgendwelche Schablonen des Blockdenkens“. Die nach dem “Kalten Krieg” vorgeschlagene monopolare Welt kam auch nicht zu Stande. In dieser mono- bzw. unipolaren Welt konnte Putin nichts Positives erkennen, weil sie nur Eines bedeutet:

„Ein Zentrum der Macht, ein Zentrum der Stärke, ein Entscheidungszentrum“.

Das wäre die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns.

„Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen heraus zerstört.“

Nach Putin hat so etwas nichts mit Demokratie zu tun, „weil Demokratie bekanntermaßen die Herrschaft der Mehrheit bedeutet, unter Berücksichtigung der Interessen und Meinungen der Minderheit.“(17)

Der Versuch der USA, eine unipolare Welt zu schaffen, sei gescheitert, so Putin. Die einseitigen, oft illegitimen Handlungen hätten nicht ein einziges Problem gelöst: Vielmehr bildeten sie den Ausgangspunkt für neue menschliche Tragödien und Spannungsherde.

„Urteilen Sie selbst: Die Kriege, die lokalen und regionalen Konflikte sind nicht weniger geworden. Herr Teltschik hat ganz leicht daran erinnert. Und es sterben nicht weniger Menschen bei diesen Konflikten als früher, sondern sogar mehr. Bedeutend mehr!“ Putin konstatierte eine „fast unbegrenzte, hypertrophierte Anwendung von (militärischer) Gewalt in den internationalen Beziehungen, eine Gewalt, welche eine Sturmflut aufeinander folgender Konflikte in der Welt auslöst. […] Wir sehen eine immer stärkere Nichtbeachtung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts. Mehr noch – bestimmte Normen, ja eigentlich fast das gesamte Rechtssystem eines Staates, v.a. natürlich der Vereinigten Staaten, hat seine Grenzen in allen Sphären überschritten: sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik und im humanitären Bereich wird es anderen Staaten übergestülpt. Nun, wem gefällt das schon?“

So ist Putins Rede als eine Warnung vor einer unipolaren Welt – dem realen geopolitischen Projekt der USA – zu verstehen. Dieses Projekt mit dem Drang nach Osten schafft Tatsachen, ohne Russland und China in die Sicherheitsarchitektur einzubeziehen, geschweige denn Verständnis für deren Sicherheitsinteressen zu haben.

Abschließend merkte Putin an, dass Russland ein Land mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte sei und fast immer eine unabhängige Außenpolitik führen konnte. Und er versicherte:

„…natürlich möchten wir gerne mit verantwortungsvollen und ebenfalls selbstständigen Partnern zusammenarbeiten am Aufbau einer gerechten und demokratischen Welt, in der Sicherheit und Aufblühen nicht nur für Auserwählte, sondern für alle gewährleistet ist.“(18)

Das erinnert an eine Äußerung des damaligen deutschen Staatssekretärs Bernhard von Bülow in der Reichstagsdebatte vom 6. Dezember 1897: „Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ Dieses Ansinnen ist den Deutschen damals schlecht bekommen.

Putins ausgestreckte Hand wurde nicht ergriffen. Im Gegenteil: Der Einsatz von Gewalt in den internationalen Beziehungen nahm zu, das Völkerrecht wurde zunehmend ausgehöhlt, internationale Institutionen wie die UN wurden systematisch demontiert oder gleichgeschaltet.

Am 16. Mai 2008 hatten sich im russischen Jekaterinburg Brasiliens Außenminister Celso Amorim, Russlands Außenminister Sergej Lawrow, Indiens Außenminister Prasad Mukherjee und Chinas Außenminister Yang Jiechi getroffen und ein gemeinsames Kommuniqué verfasst. Darin brachten die Minister ihre Einigkeit zum Ausdruck,

„dass es das Gebot unserer Zeit ist, ein demokratischeres internationales System aufzubauen, das auf Rechtsstaatlichkeit und multilateraler Diplomatie beruht. Sie bekräftigten die Verpflichtung der BRICS-Länder, miteinander und mit anderen Staaten zusammenzuarbeiten, um die internationale Sicherheit und Stabilität zu stärken und gleiche Entwicklungschancen für alle Länder zu gewährleisten.“(19)

Mitte Juni 2009 – ein Dreivierteljahr nach der weltweiten Finanzkrise – fand dann ebenfalls in Jekaterinburg der erste BRIC-Gipfel (parallel zum Gipfel der Shanghai-Staaten) statt,  an dem die Staats- und Regierungschefs von Brasilien, Russland, Indien und China, Luiz Inácio Lula da Silva, Dmitri Medwedew, Manmohan Singh und Hu Jintao, teilnahmen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Verbesserung der Weltwirtschaftslage, die Reform der Finanzinstitutionen und eine bessere Zusammenarbeit der vier Länder.

Weiter stand auf der Tagesordnung die zukünftige Rolle des US-Dollar als globale Leitwährung. Zugleich diente das Treffen der Abstimmung der BRIC-Positionen für den G8-Gipfel (acht große Industriestaaten)(20) im Juli 2009, an dem nur Russland geladen war. Brasilien, Indien und China gehörten im Gegensatz zu Italien und Kanada nicht zum erlauchten Kreis.

Der bekannte investigative US-Journalist Bob Woodward hat in seinem mit dem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Buch “Obamas Kriege” eine für Obama unrühmliche Szene während der UN-Klimaschutzkonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen beschrieben.

Am späten Freitagnachmittag des 16. Dezember 2009 sei der US-Präsident ungeachtet der Proteste chinesischer Protokollbeamter in eine geschlossene Sitzung chinesischer, indischer und brasilianischer Staatsoberhäupter geplatzt, wo die drei BRIC-Staatsoberhäupter (das war, bevor Südafrika beitrat und die Gruppe zu BRICS wurde) im Geheimen über eine gemeinsame Position bei den Klimaverhandlungen verhandelten, die kurz vor dem völligen Zusammenbruch standen.

Obama wollte, dass die drei Führer der mächtigsten Nationen des “Globalen Südens” – und der südafrikanische Präsident Jacob Zuma – ihn einzeln und nicht gemeinsam treffen sollten, und war verzweifelt, dass sein Plan durchkreuzt wurde. Schließlich schloss sich Obama den vier Staats- und Regierungschefs an, und die Verhandlungen führten zu einer sinnvollen Einigung.

Dieser Vorfall, der nur sechs Monate nach dem ersten BRIC-Gipfel in Jekaterinburg im Juni desselben Jahres stattfand, verdeutlichte eine grundlegende Wahrheit: Obwohl es bereits Anzeichen dafür gab, dass der Niedergang des Westens begonnen hatte, zweifelte niemand daran, dass die Vereinigten Staaten und Europa noch lange Zeit die Merkmale der Weltwirtschaft und der internationalen Politik bestimmen würden.(21)

Ende 2011 skizziert O`Neill in seinem Buch „Die Wachstumskarte“(22) die Entwicklung des  BRIC-Phänomens und wagt eine kühne Vorhersage über die “nächsten elf” Länder: Bangladesch, Ägypten, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Südkorea, Türkei und Vietnam. Anfang 2024 werden Ägypten und der Iran Mitglieder sein.

O`Neill zeigt auf, wie wichtig es für wachsende Länder ist, “mitzuspielen”, indem sie sich zu einer Politik verpflichten, die weiteres Wachstum und Engagement in der Globalisierung fördert und erklärt, wie sich die G20 anpassen kann, um die BRICS-Länder besser einzubinden und das Gleichgewicht der Weltwirtschaft besser widerzuspiegeln. Leider wurden O`Neills Ratschläge missachtet.

Die weltpolitischen Entwicklungsprozesse der BRICS waren spätestens seit der Enthaltung Russlands und Chinas im Weltsicherheitsrat 2011 zur Einrichtung einer Flugverbotszone in Libyen für jeden Interessierten nachvollziehbar. Das Verhalten Russlands und Chinas, das von vielen als doppeltes „Njet“ zur kriegerischen Intervention gesehen wurde, wurde vom Westen törichterweise als „Blockadepolitik“ gedeutet.(23)

2015 wurde auf dem 7. Gipfeltreffen der BRICS-Staaten in der südwestrussischen Industriemetropole Ufa eine verstärkte Kooperation mit Moskau angekündigt. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff betonte die Bedeutung der auf dem Treffen ins Leben gerufenen „Neuen Entwicklungsbank“ (New Development Bank, NDB) der BRICS-Gruppe, die aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika besteht.(24)

Ein Beispiel für die sprunghafte Außenpolitik der USA konnte im US-Wahlkampf 2020 beobachtet werden. Präsidentschaftskandidat Joe Biden machte Saudi-Arabien zu einer der wichtigsten Zielscheiben seiner außenpolitischen Rhetorik, hatte doch die Führung in Riad 2018 die brutale Ermordung des kritischen Journalisten Jamal Khashoggi veranlasst. Mitte 2022 änderte Präsident Biden jedoch seinen Kurs, stattete dem Kronprinzen Mohammed bin Salman einen persönlichen Besuch ab und bat ihn vergeblich um eine höhere Erdölproduktion (zu niedrigeren Preisen). Für die USA überraschend, schloss Saudi-Arabien Anfang 2023 nicht nur ein vorläufiges Friedensabkommen mit dem Iran, bei dem China als Vermittler fungierte, sondern hob auch ein Handelssystem in ‹Petro-Yuan› aus der Taufe, das die Hegemonie des US-Dollars untergraben soll. Washington versuchte acht Monate lang recht ungeschickt, diesen Deal rückgängig zu machen. Anfang 2024 werden Saudi-Arabien und der Iran Mitglieder der BRICS+ sein. Die im August 2023 veröffentlichte vollständige Liste aller Anwärterstaaten umfasst Ägypten, Äthiopien, Algerien, Argentinien, Bangladesch, Bahrain, Belarus, Bolivien, Honduras, Indonesien, Iran, Kasachstan, Kuba, Kuwait, Marokko, Nigeria, den Staat Palästina, Saudi-Arabien, Senegal, Thailand, Venezuela, die VAE und Vietnam.(25)

Die Welt im Wandel. Das mag nach Ansicht des ehemaligen ständigen UN-Vertreters Singapurs und Präsidenten des UN-Sicherheitsrats, Kishore Mahbubani, nicht zuletzt am phänomenalen Wachstum in Asien liegen. Laut Mahbubani wird das so weitergehen, wobei er besonders positiv vermerkt, dass „die Länder im globalen Süden dies verstehen, die Afrikaner dies verstehen, die Lateinamerikaner dies verstehen.“(26) Bis zu einem gewissen Grad würden es auch einige Europäer verstehen – hier denkt Mahbubani an Frankreich und Deutschland.

Weiter teilte Mahbubane in seinem Global Times-Interview Ende Juli 2023 den Reportern mit, warum er glaubt,

„dass das amerikanische Jahrhundert vorbei ist, das asiatische Jahrhundert naht und wie sich die USA auf die falschen «Schlachtfelder» konzentriert haben.“(27) Mahbubani sieht in der Verstärkung der US-Militärpräsenz in Ostasien einen großen Fehler, „denn der Konflikt wird keine militärische Dimension haben; es wird eine wirtschaftliche Dimension haben.“(28)

Doch die wirtschaftliche Dimension könnte mindestens genauso zerstörerisch sein wie die zwei Obersten Qiao Liang und Wang Xiangsui der chinesischen Volksbefreiungsarmee 1999 in ihrem Buch “Uneingeschränkte Kriegsführung:  Chinas Masterplan zur Zerstörung von Amerika” beschrieben:

„Wirtschaftlicher Krieg ist eine Form des nicht militärischen Krieges der mindestens genauso zerstörerisch sein kann wie ein militärischer Angriff. Aber in welchem kein Blut vergossen wird … Wenn die Leute die Geschichtsbücher überarbeiten  … bedarf der Abschnitt über wirtschaftliche Auseinandersetzungen der äußersten Aufmerksamkeit des Lesers.“(29)

Natürlich muss man bei der vollmundigen Behauptung, dass amerikanische Jahrhundert sei vorbei, immer einen gewissen Propagandakoeffizienten berücksichtigen – die wenigsten Länder werden es sich ernsthaft mit den USA verderben wollen. Dennoch könnte es so kommen, dass der globalen Ausbeutung durch US-Konzerne und damit der wirtschaftlichen Dominanz des Westens allmählich die Stunde schlägt und schließlich der Hydra der Kopf abgeschlagen wird, denn es geht endlich in Richtung Gerechtigkeit. Zum Abschluss des BRICS-Gipfels in Johannesburg sagte am 24. August 23 Südafrikas Staatspräsident Cyril Ramaphosa:

„Mit diesem Gipfel hat BRICS ein neues Kapitel aufgeschlagen, ein neues Kapitel, um eine faire Welt zu schaffen. Eine gerechte Welt. Eine Welt, die alle miteinschließt und die wohlhabend ist.“(30)

Der von Krieg und Elend geschüttelten Welt ist zu wünschen, dass diese Vision wahr wird.

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