Die Pioniere des italienischen Weinbaus – Eine Revolution der Tradition
Italien ist weltweit für seine reiche Weintradition bekannt, die von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Doch inmitten der Tradition gibt es Visionäre, die den italienischen Weinbau neu definiert haben. Diese Pioniere haben nicht nur die Qualität der Weine auf ein neues Niveau gehoben, sondern auch den Ruf Italiens als führende Weinbauregion in der Welt gefestigt. Ihre Geschichten sind Beispiele für Mut, Innovation und die Fähigkeit, das Potenzial von Weinbergen und Rebsorten voll auszuschöpfen.
Der Aufstieg des „Super-Tuscans“: Marchesi Antinori und die Bolgheri-Revolution
Einer der bekanntesten Pioniere im italienischen Weinbau ist die Familie Antinori, deren Einfluss auf den toskanischen Weinbau kaum zu überschätzen ist. Piero Antinori, der 26. Generation dieser legendären Weinbaudynastie, wagte in den 1970er-Jahren einen radikalen Schritt, indem er traditionelle Vorgaben des Chianti-Classico-Konsortiums ignorierte.
Antinori und sein Önologe Giacomo Tachis führten internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon und Merlot in der Toskana ein. Der 1971 erstmals produzierte Tignanello war einer der ersten sogenannten „Super-Tuscans“ – Weine, die außerhalb der traditionellen DOC-Regeln produziert wurden, aber durch ihre Qualität und Eleganz Weltruhm erlangten. Diese Bewegung beeinflusste auch die Region Bolgheri, wo Weingüter wie Sassicaia und Ornellaia entstanden, die internationale Anerkennung fanden und die Toskana als Spitzenweinregion etablierten.
Angelo Gaja: Der Erneuerer des Piemont
Im Piemont setzte Angelo Gaja Maßstäbe, indem er die Nebbiolo-Traube in neue Höhen führte. Gaja übernahm das Familienweingut in den 1960er-Jahren und kombinierte traditionelle Techniken mit moderner Innovation. Er führte Barriques (kleine französische Eichenfässer) für den Ausbau von Weinen ein, was zu einer feinen Balance zwischen Frucht und Holz führte.
Seine ikonischen Weine wie Barbaresco und Sorì Tildìn erhielten internationale Anerkennung und veränderten die Wahrnehmung piemontesischer Weine grundlegend. Gaja zeigte, dass Weine aus dem Piemont mit den besten Burgundern und Bordeaux der Welt konkurrieren können. Seine Arbeit inspirierte eine neue Generation von Winzern in der Region.
Elena Walch und die Renaissance Südtirols
Südtirol, bekannt für seine alpine Landschaft und das milde Klima, hat eine beeindruckende Weintradition. Elena Walch, eine Architektin, die zur Winzerin wurde, war maßgeblich daran beteiligt, die Region für Qualitätsweine bekannt zu machen. Sie brachte frische Perspektiven in den Weinbau ein und fokussierte sich auf Nachhaltigkeit und terroirgeprägte Weine.
Ihre Weine, insbesondere Weißweine wie der Gewürztraminer und Pinot Bianco, gehören heute zu den besten Italiens. Walch setzte auf niedrige Erträge und hohe Qualität, was das Potenzial von Südtirols einzigartigen klimatischen Bedingungen voll ausschöpfte.
Die Revolution Siziliens: Donnafugata, COS, Planeta und Marco De Bartoli
In Sizilien hat sich in den letzten Jahrzehnten eine stille, aber kraftvolle Revolution vollzogen.
Diese Insel, einst bekannt für Massenweine, hat sich dank Pionieren wie Donnafugata, COS, Planeta und Marco De Bartoli zu einer Region entwickelt, die Spitzenweine von einzigartigem Charakter hervorbringt.
Donnafugata: Gegründet von Giacomo Rallo und seiner Frau Gabriella, hat Donnafugata die Weinlandschaft Siziliens durch Innovation und Qualität verändert. Mit Weinen wie dem Mille e una Notte oder dem Dessertwein Ben Ryé, der aus der autochthonen Zibibbo-Traube hergestellt wird, zeigt Donnafugata das immense Potenzial der sizilianischen Terroirs.
L’Azienda Agricola COS: Das von Giambattista Cilia, Giusto Occhipinti und Cirino Strano gegründete Weingut COS setzte auf biodynamischen Anbau und die Wiederentdeckung traditioneller Methoden wie der Vinifikation in Tonamphoren. Ihre Weine, wie der Pithos Rosso, sind Ausdruck des natürlichen Charakters der Rebsorten Nero d’Avola und Frappato.
Planeta: Die Familie Planeta hat mit ihrem Engagement für moderne Techniken und autochthone Rebsorten wie Nero d’Avola und Grillo einen bedeutenden Beitrag zur Weinrevolution Siziliens geleistet. Ihre Weingüter erstrecken sich über verschiedene Terroirs der Insel, von Menfi bis Etna, was eine beeindruckende Vielfalt in ihrem Portfolio ermöglicht.
Marco De Bartoli: Als eine der zentralen Figuren in der Wiederbelebung des sizilianischen Marsala ist Marco De Bartoli ein Vorreiter der Qualität. Er verhalf traditionellen Weinen wie dem Marsala und Passito di Pantelleria zu neuem Glanz und zeigte, dass diese historische Weintradition eine moderne Interpretation verdient.
Marsala Lo Stagnone:
Aufbruch zu neuen Ufern – gerade haben die drei Master of Wine Italiens die drei engen Freunde – Gabriele Gorelli, Andrea Lonardi und Pietro Russo – zusammengeschlossen, um eine Vision zu verwirklichen, die die Schönheit Siziliens und die Qualität des Weinbaus miteinander verbindet. Ihr gemeinsames Vorhaben trägt den Namen Officina del Vento, ein einzigartiges Weinprojekt, das an den Ufern des Stagnone-Naturschutzgebiets in Marsala verwurzelt ist. Dieses Projekt steht nicht nur für herausragenden Wein, sondern auch für die Rückgewinnung eines traditionsreichen, aber vernachlässigten Gebiets.
Eine Vision am Stagnone
Pietro Russo, der Visionär des Trios, setzte den ersten Impuls für dieses ehrgeizige Projekt. Er begann damit, kleine, verfallene Weinparzellen in der Nähe des Meeres wieder zu kultivieren. Sein Engagement zog bald die Aufmerksamkeit und Begeisterung seiner Kollegen auf sich. Gemeinsam entdeckten sie ein Grundstück nahe der historischen Anlegestelle von Mozia – ein Ort, der reich an Geschichte und natürlicher Schönheit ist. Hier pflanzten sie Grillo-Trauben, eine autochthone Rebsorte Siziliens, die für ihre Eleganz und ihre Fähigkeit, die Essenz des Terroirs widerzuspiegeln, bekannt ist. Im Jahr 2023 wurde die erste Ernte eingefahren, und die Produktion der ersten 4.000 Flaschen markiert den Beginn einer neuen Ära.
Ein Manifest für Nachhaltigkeit und Tradition
Das Ziel von Officina del Vento geht über den bloßen Weinbau hinaus. Die Initiatoren möchten das Potenzial des Stagnone-Gebiets wiederbeleben und zeigen, dass hier Spitzenweine hergestellt werden können, die nicht mit der traditionellen Marsala-Produktion konkurrieren, sondern vielmehr die Vielseitigkeit der Region demonstrieren. Dabei legen sie großen Wert auf eine nachhaltige Beziehung zur Umgebung. Die Weinberge, das Etikett und die gesamte Produktion sind lokal verankert und verkörpern die Philosophie des „Null-Kilometer“-Ansatzes.
Dieses Vorhaben steht auch im Zeichen der Herausforderung, die sich durch Klimawandel und regionale Probleme wie Übertourismus ergeben. Das Projekt dient als Leuchtfeuer für eine verantwortungsbewusste Entwicklung und ist ein Symbol für den Respekt gegenüber der Natur und den Menschen, die in dieser Region leben.
Innovative Weinbereitung und Klimaschutz
Der Ausbau der Grillo-Trauben erfolgt mit einer minimalinvasiven Methode: in Edelstahltanks und mit einem dezenten Einsatz neuer französischer Barriques, um den reinen Geschmack der Trauben und die Meeresnähe der Weinberge zu bewahren. In einer Region, die von Dürre geplagt wird, bietet das Stagnone ein seltenes hydrologisches Gleichgewicht. Die natürliche Verfügbarkeit von Wasser sichert den Reben eine stressfreie Entwicklung und ermöglicht eine klimafreundliche Landwirtschaft.
Ein soziales und kulturelles Engagement
Officina del Vento versteht sich nicht nur als Weinprojekt, sondern als Teil eines größeren sozialen und kulturellen Engagements. Ziel ist es, die Einnahmen des Projekts für die Restaurierung und den Schutz des Stagnone einzusetzen. Gleichzeitig werden die Weine ausschließlich über ein persönliches Netzwerk vertrauenswürdiger Partner vertrieben, um die Authentizität und Integrität des Projekts zu wahren.
Mit Officina del Vento schaffen Gabriele Gorelli, Andrea Lonardi und Pietro Russo nicht nur einen bemerkenswerten Wein, sondern auch ein Modellprojekt für nachhaltigen Weinbau, das Tradition und Innovation vereint. Es ist ein inspirierendes Beispiel dafür, wie durch Leidenschaft, Zusammenarbeit und Respekt vor der Natur ein nachhaltiger und kulturell bedeutsamer Beitrag geleistet werden kann.
Sono-Qui
Ein weiteres Projekt in Lo Stagnone ist Sono-Qui. Hier arbeitet der Master Sommelier Ronaldo Amici zusammen mit der Familie Amato daran, das Optimum aus den Trauben im Gebiet Lo Stagnone Vista Mare herauszuarbeiten.
Schon seit 4 Jahren werden Versuchsweine in geringsten Mengen hergestellt, um zusammen mit der Cantina Chitarra zu erarbeiten, welche Arbeiten im Weinberg und welche Vinifikationsmethoden sich eignen um die „Essenz“ der Weine aus Lo Stagnone, also das Optimum des Geschmackserlebens dieser neu entdeckten Weinregion zu erarbeiten.
Zu den schon jetzt festgelegten Methoden der Optimierung gehören:
Maximale Ertragsreduktion auf 1-2 Kilogramm pro Rebe, tägliche Arbeit im Weinberg mit Grünschnitt und früher Freisetzung der Trauben, die Reben werden mit „klassischer Musik “ unterhalten um Gesundheit und „Spaß an der Arbeit“ zu fördern.
Für Master Sommelier Ronaldo Amici sind Reben lebendige Wesen, mit denen man sich verständigen kann und deren „Reberziehung“ etwas mit dem gegenseitigen Verständnis für die „Bedürfnisse des Anderen“ zu tun hat.
Spontanvergärung, Lese mit der Hand, Abbeeren und weitere Auslese ausschließlich per Hand. Auch in der Vinifikation werden keine Maschinen eingesetzt – ein einfacher Gravitationskeller mit Kühlhaus sorgt für die schonendste Art der Weinbereitung.
Außer minimalem Einsatz von Schwefel zur Traubenkonservierung gibt es in den Weinen von Sono-Qui nichts was den Geschmack und die höchste Qualität der Weine beeinflusst.
Die Überwachung aller Schritte findet im Analyselabor der Cantina Chitarra statt – wo die Ergebnisse aufbewahrt und ständig optimiert werden.
Die ersten Weine werden voraussichtlich 2026-2027 für einen kleinen Kreis von Weinkennern zur Verfügung stehen.
Die Verbindung von Tradition und Innovation
Die Geschichten dieser Pioniere zeigen, dass der italienische Weinbau nicht nur von Tradition lebt, sondern auch von der Fähigkeit, sich neu zu erfinden. Durch ihren Mut, Regeln zu brechen und neue Wege zu gehen, haben Winzer wie Antinori, Gaja, Walch und die sizilianischen Innovatoren die Qualität italienischer Weine auf ein bisher ungekanntes Niveau gehoben.
Ihre Innovationen haben nicht nur neue Stilrichtungen geschaffen, sondern auch bewiesen, dass italienischer Wein in seiner Vielfalt und Exzellenz weltweit führend ist. Dank dieser Pioniere ist Italien heute nicht nur Hüter jahrhundertealter Weinbautraditionen, sondern auch eine Quelle unermüdlicher Innovation und Inspiration.
Schlussgedanke:
Die Arbeit der italienischen Weinpioniere ist ein Beweis dafür, dass wahre Exzellenz im Weinbau sowohl in der Ehrfurcht vor der Vergangenheit als auch in der Kühnheit, die Zukunft zu gestalten, liegt. Ihre Visionen haben den Weg für die kommenden Generationen bereitet und die Weinwelt für immer verändert.