Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Schweiz wegen Demoverboten verurteilt

Corona-Pandemie Die Gewerkschaft Communauté Genevoise d’Action Syndicale (CGAS) hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Recht erhalten. 

Das Gericht ist der Ansicht, dass das wegen der Covid-19-Pandemie verhängte Demonstrationsverbot gegen die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verstossen hat.

Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR ist die Schweiz im Frühjahr des ersten Pandemiejahres 2020 zu weit gegangen mit dem Verbot von öffentlichen Kundgebungen. 

Die Strassburger Richter rügen in ihrem heute publizierten Urteil insbesondere, dass die Entscheidung der Regierung nicht von Gerichten auf ihre Verhältnismässigkeit überprüft worden sei.

Die CGAS hatte am 26. Mai 2020 Klage beim EGMR eingereicht, nachdem sie ihre Demonstration zum 1. Mai hatte absagen müssen. 

Die Kundgebungen, die vom Bundesrat auf der Grundlage der Verordnung 2 Covid verboten worden waren, wurden am 20. Juni 2020 unter der Bedingung der Maskenpflicht wieder erlaubt.

Im gestern verkündeten Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass das ab dem 16. März 2020 verhängte Demonstrationsverbot nicht in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stand – insbesondere aufgrund seiner Dauer und der Strenge der vorgesehenen Sanktionen.

Die Schweiz ging zu weit

Europas oberstes Menschenrechtsgericht teilt nun diese Kritik, wenngleich nicht vollumfänglich – und auch nicht einstimmig. 

Das Urteil fiel lediglich mit vier zu drei Stimmen. Die Strassburger Richter anerkennen, dass die restriktiven Vorschriften zweifelsfrei der Corona-Bekämpfung dienten. 

Einschränkungen des Demonstrationsrechts seien in einer solchen Situation zulässig, zumal die Pandemiegefahr beträchtlich war und man damals noch wenig über die Risiken wusste. Der EGMR billigt in einer solchen Gefahrensituation der Regierung einigen Ermessens- und Handlungsspielraum zu.

Er gelangt aber zum Schluss, der Bundesrat habe diesen Spielraum zu weitgehend genutzt.

Zumal die in Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbriefte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ein ganz zentrales Gut in einer Demokratie sei.

Konkret beanstanden die Richter, es hätte eine gerichtliche Überprüfung der Bundesratsvorschriften gebraucht, notabene durch das Bundesgericht. Und die Strafandrohungen seien zu hart gewesen. 

Zuwiderhandlungen gegen das Demonstrationsverbot hätten mit Haft bis zu drei Jahren geahndet werden können.

Dazu kommt: 

Während Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter auch in Grossunternehmen zur Arbeit gehen konnten, sofern dort entsprechende Hygiene- und Distanzvorschriften galten, habe man diese Möglichkeit den Organisatoren von Kundgebungen nicht eingeräumt. 

Dies obschon sich auch bei politischen Versammlungen solche Vorschriften grundsätzlich erfüllen liessen.

Urteil von höchster Instanz


Bereits zum Zeitpunkt des Verbots öffentlicher Kundgebungen gab es in der Schweiz – und in anderen Ländern, wo vergleichbare Einschränkungen galten – heftige Debatten darüber. 

Mit dem Urteil des EGMR liegt nun ein Urteil von höchster Instanz vor. Es besagt: Einschränkungen der Versammlungsfreiheit sind möglich, aber eben nicht nach Belieben einer Regierung.

Quelle: EGMR

Quelle: SFR

Bild: european-court-of-justice-Pixabay – hpgruesen

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